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08.03.2023 | Gesellschaftsrecht:
BGH zum Anspruch auf Unterlassung der Einreichung einer materiell unrichtigen Gesellschafterliste
(Beschluss vom 08.11.2022 – II ZR 91/21)
Der BGH hat mit Beschluss vom 08.11.2022 zu Az.: II ZR 91/21 entschieden, dass ein Gesellschafter vom Gesellschaftergeschäftsführer verlangen kann, das treuwidrige Einreichen einer unrichtigen Gesellschafterliste beim Handelsregister zu unterlassen. Im zu entscheidenden Fall war die materielle Gesellschafterstellung zwischen den Gesellschaftern einer GmbH streitig. Nachdem die Gesellschaftergeschäftsführerin die Einreichung einer korrigierten, den Minderheitsgesellschafter nicht mehr als Gesellschafter ausweisenden Gesellschafterliste ankündigt hatte, klagte dieser auf Unterlassung der Einreichung einer zu seinen Lasten unrichtigen Gesellschafterliste.
Amtliche Leitsätze:
- Dem Gesellschafter einer GmbH steht kein Anspruch gegen den Geschäftsführer auf Unterlassung der Einreichung einer zu seinen Lasten materiell unrichtigen Gesellschafterliste zum Handelsregister wegen drohender Verletzung organschaftlicher Pflichten zu.
- Ein Gesellschafter einer GmbH, der seine Stellung als Geschäftsführer dadurch missbraucht, dass er eine materiell unrichtige Gesellschafterliste zum Handelsregister einreicht, um damit eigennützige Interessen durchzusetzen, verletzt seine gesellschafterliche Treuepflicht gegenüber dem von der Unrichtigkeit nachteilig betroffenen Gesellschafter.
- Gegen den Gesellschaftergeschäftsführer einer GmbH, der unter Verletzung seiner gesellschafterlichen Treuepflicht eine materiell unrichtige Gesellschafterliste einreichen will, steht dem von der Unrichtigkeit nachteilig betroffenen Gesellschafter ein Unterlassungsanspruch zu, den er mit der vorbeugenden Unterlassungsklage geltend machen kann.
Zur Entscheidung:
Der herrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung folgend kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass dem Gesellschafter kein Anspruch gegen die Gesellschaftergeschäftsführerin auf Unterlassung der Einreichung einer materiell unrichtigen Gesellschafterliste zum Handelsregister wegen der Verletzung organschaftlicher Geschäftsführerpflichten zusteht. Denn zwischen dem Gesellschafter und der Geschäftsführerin bestünden grundsätzlich keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen. Vielmehr sei die Geschäftsführerin in ihrer Eigenschaft als Gesellschaftsorgan allein der Gesellschaft gegenüber treuepflichtig.
Der Senat bejaht jedoch einen Anspruch gegen die Gesellschaftergeschäftsführerin unter dem Aspekt der Verletzung ihrer gesellschafterlichen Treuepflicht. Eine solche bestehe in der GmbH sowohl zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern als auch unter den Mitgesellschaftern. Dabei stelle nicht jede unsorgfältige Geschäftsführungsmaßnahme eine Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht dar. Hier liege aber eine Pflichtverletzung vor, da die Gesellschaftergeschäftsführerin ihre Befugnis missbrauche, um damit eigennützige Interessen durchzusetzen.
Gegen den Gesellschaftergeschäftsführer einer GmbH, der unter Verletzung seiner gesellschafterlichen Treuepflicht eine materiell unrichtige Gesellschafterliste einreichen will, steht dem von der Unrichtigkeit nachteilig betroffenen Gesellschafter also ein Unterlassungsanspruch zu, den er mit der vorbeugenden Unterlassungsklage geltend machen kann.
Verpflichtet die gesellschafterliche Treuepflicht zur Unterlassung einer konkreten Handlung, so kann dies bei Vorliegen der dafür geltenden Voraussetzungen im Wege der Unterlassungsklage durchgesetzt werden. Die schuldhafte Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht verpflichtet den Gesellschafter nach allgemeinen Grundsätzen gemäß § 280 Abs. 1, §§ 249 ff. BGB zum Schadensersatz. Bei Verletzung der Treuepflicht durch eigennützige Einreichung einer materiell unrichtigen Gesellschafterliste durch einen Gesellschaftergeschäftsführer beinhaltet die gemäß § 249 Abs. 1 BGB geschuldete Wiederherstellung des ohne die Pflichtverletzung bestehenden Zustands demnach grundsätzlich die Einreichung einer berichtigten Liste. Darüber hinaus kann sich aus der Verletzung von Vertragspflichten nach § 280 Abs. 1 BGB aber auch ein vorbeugender Unterlassungsanspruch ergeben, wenn, ebenso wie bei einem gesetzlichen Unterlassungsanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, eine Erstbegehungs- bzw. Wiederholungsgefahr besteht. Das gilt dementsprechend auch bei Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht.
Fazit:
Derjenige Gesellschafter, der sich – möglicherweise aufgrund von vorausgegangenem Gesellschafterstreit – einer Gefahr der drohenden treuepflichtwidrigen Einreichung einer materiell unrichtigen Gesellschafterliste durch einen Gesellschaftergeschäftsführer ausgesetzt sieht, ist nicht schutzlos. Ihm steht – so der BGH – ein eigener Unterlassungsanspruch zu, welchen er mit den Mitteln einer vorbeugenden Unterlassungsklage geltend machen könne – sofern die zusätzlich dafür erforderlichen Voraussetzungen vorliegen.
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Christina Elpers
Rechtsanwältin und Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht