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22.07.2019 | Bank- und Kapitalmarktrecht:
DIVERGIERENDE BGH-ANSICHTEN ZUM VERJÄHRUNGSBEGINN
Macht ein Anleger nach 10 Jahren Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Aufklärung über Risiken, Laufzeit oder Kosten einer Kapitalanlage geltend, können manchmal wenige Tage entscheidend sein und die Frage, welcher Senat beim BGH zuständig ist, denn verschiedene Senate beim BGH argumentieren unterschiedlich zum Verjährungsbeginn.
Die Lehman-Pleite und die Finanzmarktkrise fanden vor mehr als 10 Jahren statt und führten dazu, dass das Konzept so manchen offenen und geschlossenen Fonds nicht mehr aufging.
Schadensersatzansprüche wegen vermeintlicher Fehlberatung verjähren nach § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB in 10 Jahren von dem Zeitpunkt „ihrer Entstehung“ an.
Zuständig für solche Schadensersatzansprüche können beim Bundesgerichtshofs drei Senate sein: Der XI. Zivilsenat, sofern die Beteiligung über eine Bank erworben wurde; der III. Zivilsenat, sofern die Beteiligung über einen freien Anlageberater (auch über Anlageberatungsgesellschaften im Bankkonzern) vertrieben wurde sowie der für das Gesellschaftsrecht allgemein zuständige II. Zivilsenat.
Einigkeit besteht zwischen allen drei Zivilsenaten, dass es für den Verjährungsbeginn nicht von Relevanz ist, dass sich das Risiko der Anlage tatsächlich verwirklicht hat oder zumindest der Kurs einbricht. Der Schadensersatzanspruch entsteht mit dem „Erwerb der Kapitalanlage“, denn nach ständiger Rechtsprechung des BGH stellt bereits der auf einer Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung beruhende Erwerb einer für den Anlageinteressenten nachteiligen, weil seinen Anlagezielen und Vermögensinteressen nicht entsprechenden Kapitalanlage bei der gebotenen wertenden Betrachtung ohne Rücksicht auf die objektive Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung für sich genommen einen Vermögensschaden dar.
Die erworbene Anlage mag anfangs am Zweitmarkt zu einem Kurs oberhalb des Kaufpreises veräußerbar sein. Auf den ersten Blick hat der Anleger eine Vermögensmehrung, keinen Vermögensschaden. Ist die Anlage mit Risiken verbunden, die der Anleger nicht tragen wollte, ist sein Vermögen in rechtlicher Hinsicht geschädigt, da er etwas anderes erworben hat als er erwerben wollte.
Klingt dies noch einfach, ist doch streitig, wann die Anlage „erworben“ wurde – und gerade dies ist der relevante Zeitpunkt für den Beginn der 10-jährigen Verjährungsfrist. In Betracht kommen hierfür drei Zeitpunkte:
Frühestmöglich ist der Tag, an dem der Anleger den Zeichnungsschein unterschreibt und seinem Anlageberater übergibt, der hierbei stets als Empfangsbote der Fondsgesellschaft handelt. Ab diesem Zeitpunkt nämlich ist der Anleger an sein Angebot gebunden und der Erwerbsvorgang nimmt seinen Lauf ohne dass der Anleger hierauf noch einen Einfluss hätte oder gar etwas tun müsse.
Man könnte allerdings auch auf den Zeitpunkt abstellen, an dem der Beitrittsvertrag von der Fondsgesellschaft oder dem Fondstreuhänder unterschrieben wird, da erst in diesem Zeitpunkt ein verbindlicher Vertrag vorliegt und das Angebot des Anlegers tatsächlich angenommen wurde – mithin in diesem Zeitpunkt der Vermögensschaden manifestiert ist. Berücksichtigt man, dass dem Anleger regelmäßig eine 14-tägige Widerrufsfrist bei Unterzeichnung geräumt wurde, in der der Anleger ohne Angabe von Gründen und ohne jegliche finanzielle Nachteile von dem Vertragsangebot zurücktreten kann, könnte es auch auf den Ablauf der Widerrufsfrist ankommen. Anknüpfend daran hat der III. Zivilsenat beim BGH in einer Entscheidung im Jahre 2018 ausgeführt, dass der Anleger mit Zustandekommen des Beitrittsvertrages grundsätzlich noch nicht geschädigt ist, wenn ihm ein vertragliches Recht auf Widerruf seiner Beitrittserklärung zusteht, welches – abgesehen von der Einhaltung einer Widerrufsfrist oder bestimmter Formerfordernisse – an keine weiteren Voraussetzungen gebunden ist und keine Umstände gegeben sind, aufgrund derer der Beitretende von seiner Anlageentscheidung nicht Abstand nehmen könnte (BGH, Urteil des III. Zivilsenats vom 08.11.2018, Az: III ZR 628/16, Rn. 20 ff.).
Hiergegen wurde und wird mit guten Argumenten eingewandt, dass ein Anleger sich nach Unterzeichnung seiner Beitrittserklärung regelmäßig nicht mehr mit der bereits getroffenen Investitionsentscheidung befasst. So genügt es nach ständiger Rechtsprechung des XI. Zivilsenats beim BGH nicht, wenn der Anleger am Tag der Unterzeichnung der Beitrittserklärung den vollständigen Emissionsprospekt zur Lektüre erhält und gleichzeitig auf sein 14-tägiges Widerrufsrecht hingewiesen werde, da erfahrungsgemäß ein Anleger sich nach seiner dokumentierten Entscheidung nicht mehr mit der Sache befasse, auch wenn er wisse, dass er grundsätzlich ohne Angabe von Gründen seine Entscheidung revidieren könne. Konsequent entsteht nach der ständigen Rechtsprechung des XI. Zivilsenats der Schadensersatzanspruch eines Anlegers wegen fehlerhafter Anlageberatung mit Abschluss des schuldrechtlichen Beteiligungsvertrages, der allerdings – anders als nach der Rechtsprechung des III. Zivilsenates – noch nicht unwiderruflich oder vollzogen sein muss (BGH, Urteil des XI. Zivilsenats vom 08.04.2014, Az: XI ZR 341/12, Rn. 25). Dies wurde und wird von verschiedenen Oberlandesgerichten und Landgerichten, auch dem Landgericht Nürnberg-Fürth sowie jüngst dem OLG Frankfurt, in Bankprozessen derart angewandt, dass der Lauf der 10-jährigen Verjährungsfrist mit Unterzeichnung der Beitrittserklärung durch den Anleger und Übergabe derselben an den Bankmitarbeiter beginnt.
Mit Urteil vom 21.05.2019 hat der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat nunmehr „vermittelnd“ ausgeführt, dass es auf die Gegenzeichnung der Beitrittserklärung durch die Fondsgesellschaft ankomme. Die Verjährung von Schadensersatzansprüchen eines Anlegers wegen Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Beteiligung an einer Fondsgesellschaft gemäß § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB beginne nicht bereits mit dem Zugang seines Beitrittsangebotes bei der Fondsgesellschaft, sondern frühestens mit dem Zustandekommen des Beteiligungsvertrages (BGH, Urteil vom 21.05.2019, Az: II ZR 340/18).
Einig sind sich die drei Senate nur in einem Punkt: Jeder hält seine Auffassung für einzig richtig und meint, dass er (warum auch immer) nicht von der Rechtsprechung der anderen beiden Senate abweiche und deshalb die Frage auch nicht dem gemeinsamen Senat vorlegen müsse: Einigkeit über die Uneinigkeit!
Johannes Meinhardt, M.B.A.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht