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07.12.2020 | Bank- und Kapitalmarktrecht:
FAQs zu Zinsanpassungsklauseln in langfristigen Sparverträgen
Die BaFin hat mit einer Pressemitteilung vom 02.12.2020 allen Verbrauchern, die auf langfristige Prämiensparverträge Einzahlungen leisten, empfohlen, diese genau zu prüfen und bezüglich der Zinsanpassungsklauseln auf die Bank zuzugehen. Bereits im Februar dieses Jahres habe man alle Banken aufgefordert, „dem Kunden eine Lösung anzubieten“. Die Bank solle den Kunden entgegenkommen. Die BaFin verweist zur Begründung ihrer Auffassung auf ein Urteil des OLG Dresden aus April 2020, bezüglich dessen derzeit die Revision beim Bundesgerichtshof anhängig ist.
Worum geht es?
Banken und Sparkassen haben seit Mitte der 90er Jahre ihren Kunden Prämiensparverträge als Sondersparform angeboten, mit denen durch monatliche Einzahlung gleichbleibender Sparraten Kapital gebildet werden konnte. Hier gibt es in der Regel eine variable Verzinsung, die von Anfang an über dem Zins für Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist liegt. Häufig erhält der Sparer zusätzlich zum variablen Zins eine feste Prämie, die sich an den Einzahlungen im jeweiligen Sparjahr orientiert und meist nach der Vertragslaufzeit gestaffelt ist.
Aus Sicht des Kunden waren die Prämiensparverträge eine gute Möglichkeit, durch gleichbleibende monatliche Raten Vermögen aufzubauen, sei es als Altersvorsorge oder zum Erreichen eines Sparzieles, beispielsweise der Ausbildung der Kinder. Die Sparverträge bieten dem Kunden aber auch eine hohe Flexibilität. Die monatlichen Einzahlungen können in der Regel ohne Vorankündigung jederzeit eingestellt werden. Das angesammelte Kapital kann vorschusszinsenfrei innerhalb von drei Monaten abgehoben werden, im Notfall kann über das angesammelte Sparguthaben sogar unverzüglich verfügt werden. Da der variable Vertragszins von Anfang an über dem Zinssatz für Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist lag, aber der Kunde genauso schnell an sein Kapital kommt, haben viele Sparer durchaus zeitgleich mehrere Prämiensparverträge abgeschlossen und diese bei Kapitalbedarf teilweise schon nach wenigen Monaten, zumindest nach einigen Jahren gekündigt.
Aus Sicht des Kreditinstitutes waren die Prämiensparverträge im früheren Zinsumfeld eine günstige Möglichkeit der Refinanzierung.
Das Bayerische Sparkassengesetz schreibt ausdrücklich vor, dass die Sparkassen verpflichtet sind, der Bevölkerung Gelegenheit zur sicheren und verzinslichen Anlage ihrer Ersparnisse zu geben sowie denselben Bevölkerungsschichten, aus denen die Spareinlagen stammen, Kredite auszureichen.
Durch das Regionalprinzip ist auch bei den Genossenschaftsbanken sichergestellt, dass für dieselben Bevölkerungsgruppen Spareinlagen verwahrt sowie Kredite ausgereicht werden bzw. wurden.
Es sollte mithin eine Selbstverständlichkeit sein, dass eine Bank für Prämiensparverträge nicht eine höhere Rendite leisten kann, als der Zins, der bei Immobiliarkrediten verlangt werden kann.
Sind unwirksame Zinsänderungsklauseln vereinbart worden?
In den Bonus- bzw. Prämiensparverträgen steht gewöhnlich der anfängliche Vertragszins und ein Hinweis, dass der „Vertragszins variabel“ sei, mithin einseitig von der Bank geändert werden könne.
Ab den Jahren 2004/2005 befinden sich in den Bonus- bzw. Prämiensparverträgen regelmäßig auch konkrete Angaben, wann und wie der Vertragszins angepasst wird. Das Verfahren zur Zinsanpassung wird konkret geregelt, indem
- der Referenzzins genannt wird
- der Zinsabstand festgelegt wird
- ein Anpassungszeitraum vereinbart wird und
- eine Anpassungsschwelle geregelt wird.
Dies entspricht den Vorgaben, die der BGH in seiner Grundsatzentscheidung vom 17.02.2004, Az.: XI ZR 140/03, niedergelegt hat. Die Notwendigkeit der vorgenannten vier Zinsänderungsparameter hat der BGH in späteren Entscheidungen in den Jahren 2008 und 2010 konkretisiert und damit das von den Banken ab 2005 angewandte Verfahren eigentlich bereits bestätigt.
Warum hat man die konkreten Parameter nicht bereits vor 2004 vertraglich vereinbart?
Der Grund ist ganz einfach: Der BGH hat die Rechtsprechung im Jahre 2004 geändert.
Vor der Entscheidung vom 17.02.2004 war es die Empfehlung der Verbände und der Stand der Rechtsprechung, dass im Passivgeschäft der Banken für Spareinlagen ein variabler Zinssatz vereinbart werden soll, aber konkrete Zinsanpassungsparameter im Passivgeschäft nicht vereinbart werden müssen.
Damit sollte ermöglicht werden, dass auch bei langfristigen Sparverträgen der Kunde an Änderungen des Umfelds partizipiert. Konkrete Zinsanpassungsparameter wurden nicht für erforderlich gehalten, sogar für hinderlich gehalten, da es gerade den regionalen Kreditinstituten dadurch ermöglicht wurde, auf Zinsänderungen in der Region zu reagieren und sich nicht an bundesweit ermittelten Zinssätzen der Deutschen Bundesbank orientieren zu müssen.
Noch im Jahre 2003 hat beispielsweise das Oberlandesgericht Hamm diese Praxis, die der Bank einen gewissen Ermessensspielraum eingeräumt hat, für ausreichend und rechtmäßig erachtet.
Im Februar 2004 hat der Bundesgerichtshof erstmals entschieden, dass bei langfristig angelegten Sparverträgen eine formularmäßige Zinsänderungsklausel, die dem Kreditinstitut theoretisch eine unbegrenzte Zinsänderungsbefugnis einräume, unwirksam sei, da sie gegen das Gebot der Transparenz und der Kontrollierbarkeit verstoße.
Wie haben die Banken auf das Urteil vom 17.02.2004 reagiert?
Die Urteilsgründe der BGH-Entscheidung vom 17.02.2004 wurden im 2. Quartal 2004 veröffentlicht und anschließend von den Verbänden geprüft und Vorschläge für die Umsetzung unterbreitet.
Der BGH verlangt, dass die Banken konkret die Zinsanpassungsparameter mit den Kunden vereinbaren. Als wichtigster Parameter gilt hierbei der Referenzzins. Der BGH hat (in einer späteren Entscheidung) vorgegeben, dass es sich hierbei um einen in öffentlich zugänglichen Medien abgebildeten Referenzzins handeln muss, der von einer unabhängigen Stelle ermittelt wird und zwar nach einem genau festgelegten Verfahren. Dabei sei unter dem Bezugsgrößen des Kapitalmarktes diejenige oder eine Kombination derjenigen auszuwählen, die dem konkreten Geschäft möglichst nahekommt.
Regelmäßig wurde von den Kreditinstituten zur Umsetzung der Vorgaben der BGH-Entscheidung empirisch ermittelt, wie lange die durchschnittliche Laufzeit der Prämiensparverträge ist und ob sowie wann Kunden ihre Sparverträge vorzeitig kündigen. Hierbei wurde in den meisten Häusern festgestellt, dass langfristig angebotene Prämiensparverträge von der Mehrheit der Kunden nicht dauerhaft bespart werden, sondern häufig schon nach wenigen Jahren aufgelöst werden.
Auch heutige Untersuchungen zeigen, dass mehr als 50 % der Prämiensparverträge innerhalb eines Zeitraumes von weit weniger als 10 Jahren Laufzeit kundenseitig gekündigt sind.
Dies hat man bei der Vorgabe und Vereinbarung der konkreten Zinsanpassungsparameter berücksichtigt.
Wie haben die Banken bei Bestandsverträgen, die vor 2004 abgeschlossen worden waren, reagiert?
Regelmäßig haben sich die Banken entschieden, die konkreten Verfahren zur Zinsanpassung, die für Neuverträge vereinbart wurden, auch bei Altverträgen anzuwenden. Teilweise wurde der jeweilige Vertragszinssatz, der sich nach dem Zinsanpassungsverfahren ergibt, im Preisaushang angegeben, teilweise auf Nachfrage mitgeteilt.
Warum hat man mit den Bestandskunden nicht Änderungsvereinbarungen getroffen?
Häufig wird heute der Vorwurf erhoben, dass die Bank nach 2004 nicht reagiert und Vereinbarungen mit dem Kunden getroffen hätte.
Auch die BaFin moniert in der aktuellen Pressemitteilung, dass die Banken nicht auf die Kunden zugegangen wären.
Für die Bestandsverträge hat die Bank rechtlich gesehen keine Möglichkeit der Vertragsänderung!
In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken und der Sparkassen ist jeweils eine Änderungsklausel vorgesehen, dass die „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ vom Kreditinstitut geändert werden können und bei Einhaltung eines bestimmten Verfahrens die jeweils aktuellen „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ gelten, sofern der Kunde der Änderung nicht widerspricht.
Solche „Änderungsklauseln“ sehen die formularmäßigen Verträge der Kreditinstitute nicht vor. Solche Änderungsklauseln wären in formularmäßigen Prämiensparverträgen auch unwirksam. Die Bank hatte und hat mithin keine Möglichkeit, nach der Änderung der Rechtsprechung im Jahre 2004 eine Anpassung der Vertragsbedingungen mit ihren Kunden herbeizuführen.
Es wäre rechtlich ohne Bedeutung gewesen, wenn das Kreditinstitut ihren Kunden mitgeteilt hätte, wie zukünftig das Verfahren der Zinsanpassung erfolgen soll.
Eine Bekanntgabe im Preisaushang mag „nice to have“ sein, wurde vom BGH zwischenzeitlich allerdings auch als „ohne jegliche rechtliche Relevanz“ für wirkungslos erklärt.
Hätten die Kreditinstitute alle Kunden angeschrieben und zur Zustimmung zu Vertragsänderungen aufgefordert, wären sicherlich die BaFin und die Verbraucherzentralen damals Sturm gelaufen, dass kein Kunde verpflichtet werden kann, bei langfristigen Verträgen nachträglich Vertragsänderungen zuzustimmen.
Mithin hat der BGH das Rechtsinstitut der „ergänzenden Vertragsauslegung“ geschaffen. Durch die Änderung der Rechtsprechung sei im Prämiensparvertrag eine Lücke entstanden, die durch „ergänzende Vertragsauslegung zu schließen“ sei. Zinsänderungsparameter können von der Bank nicht einseitig bestimmt werden, sondern es gelte das, was wohl vereinbart worden wäre, wenn man bereits im Jahre 1995 oder 2003 gewusst hätte, was der BGH im Jahre 2004 entscheiden wird. Hierbei komme es nicht auf den konkreten Sparer an, sondern es gelte ein „objektiv generalisierender Maßstab“: Die Bank müsse sich am Willen und Interesse der „typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise“ ausrichten.
Die Rechtsprechung belässt mithin das Risiko einer falschen Anwendung bei der Bank.
Was ist der richtige Referenzzins?
Der BGH schreibt vor, dass sowohl für Bestandsverträge, als auch im Neugeschäft ein Referenzzins zu wählen ist, der
- von einer unabhängigen Stelle ermittelt wird
- nach einem genau festgelegten Verfahren berechnet ist und
- in öffentlich zugänglichen Medien abgebildet wird.
Dabei ist unter den Bezugsgrößen des Kapitalmarktes diejenige oder eine Kombination derjenigen auszuwählen, die dem konkreten Geschäft möglichst nahekommen.
Diese Kriterien erfüllen regelmäßig die von der Deutschen Bundesbank ermittelten und veröffentlichten Referenzzinssäte.
Die BaFin verlangt unter Bezugnahme auf die nicht rechtskräftige Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden, die derzeit zur Überprüfung beim BGH vorliegt, dass es sich um einen langfristigen Referenzzins handeln müsse. Das Oberlandesgericht Dresden hat als Referenzzins einzig einen Referenzzins für Wertpapiere mit einer Laufzeit von neun bis zehn Jahren für angemessen erachtet.
Hierbei übersehen das Oberlandesgericht Dresden und die BaFin beide, dass ein „langfristiger Prämiensparvertrag“ nicht mit einem „langfristigem Wertpapier“ vergleichbar ist.
Bei einem langfristigen Wertpapier muss der Anleger den Investitionsbetrag bei Emission (oder Kauf) in voller Höhe zur Verfügung stellen. Das Kapital ist für die gesamte Laufzeit gebunden. Der Anleger erhält das Geld erst am Laufzeitende zurück. Vorher ist allenfalls, wenn überhaupt, ein Verkauf über die Börse möglich zum jeweils aktuellen Börsenkurs. Aus Sicht des Emittenten des langfristigen Wertpapieres kann das Unternehmen mit dem Kapitalbetrag fest kalkulieren. Der Emissionsbetrag steht dem Unternehmen von Anfang an in voller Höhe zur Verfügung. Das Unternehmen kann sicher sein, den Betrag nicht vor Laufzeitende zurückzahlen zu müssen.
Ganz anders ist dies beim langfristigen Prämienspar- oder Bonus-Sparvertrag. Der Kunde zahlt das Anlagekapital nicht sofort in voller Höhe ein, sondern – je nach Vertragsart – muss bei Eröffnung 1,00 € einbezahlt werden oder nicht einmal dies. Während der Vertragslaufzeit spart der Kunde Monat für Monat einen Beitrag von regelmäßig 50,00 € oder 100,00 € und erhöht dadurch sein Kapital fortlaufend. Hat der Kunde Kapitalbedarf, kann er sofort die Einzahlung stoppen und braucht keine weiteren Raten leisten. Das bis dahin angesparte Kapital kann innerhalb von drei Monaten zur Auszahlung verlangt werden, bei geringen Zinsabschlägen sogar sofortige Auszahlung gefordert werden. Aus Sicht der Bank steht mithin am Anfang nur ein geringer, sich aber stetig erhöhender Betrag zur Verfügung. Die Bank kann sich auf eine feste Laufzeit nicht verlassen, sondern muss stets damit rechnen und planen, dass ein Kunde den Sparvertrag beendet und das angesparte Kapital sich innerhalb von drei Monaten (oder sofort) auszahlen lässt.
Durch die sukzessive Einzahlung in Raten steht selbst bei einer Vertragslaufzeit von beispielsweise 20 Jahren das Sparkapital für durchschnittlich nur zehn Jahre zur Verfügung. Maßgeblich ist aber nicht nur die hälftige Duration, sondern insbesondere für die Planung die Möglichkeit bzw. das Risiko der kurzfristigen Beendigung mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten.
Aus diesem Grunde dürfte es kaum angemessen sein, einzig einen lang- oder mittelfristigen Referenzzins den Zinsanpassungen zugrunde zu legen. Angemessen dürfte vielmehr eine Kombination aus einem extrem kurzfristigen Referenzzins (3 Monats-Euribor oder einjährige Anleihen) und einem oder mehreren mittel- bzw. langfristigen Anleihen zu nehmen, da nur dadurch die Möglichkeit zum langfristigen Sparen und die Möglichkeit der jederzeitigen Verfügbarkeit abgebildet werden.
Warum hat das Oberlandesgericht Dresden etwas anderes entschieden?
Das Oberlandesgericht Dresden hat nichts anderes entschieden!
Bei dem Urteil des Oberlandesgerichts Dresden handelt es sich um eine Musterfeststellungsklage, die eine Verbraucherzentrale eingereicht hat. Das Oberlandesgericht Dresden hat in erster Linie festgestellt, dass im Rahmen einer Musterfeststellungsklage eine Entscheidung hierüber nicht getroffen werden kann. Insofern liegt nicht einmal eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden vor.
Das Oberlandesgericht Dresden hat lediglich beiläufig – juristisch gesprochen: in einem obiter dictum – ausgeführt, dass es dann, wenn es entscheiden würde, diese Meinung wohl hätte. Maßgeblich sind Ausführungen in einem obiter dictum regelmäßig nicht!
Hinzu kommt, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden nicht rechtskräftig ist, sondern beide Parteien Revision eingelegt haben und die Entscheidung derzeit beim BGH zur Überprüfung vorliegt. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung wurde vom BGH noch nicht bestimmt. Verfahrensdauer und -ausgang sind offen.
Referenzzins: Was sagen die Verbraucherzentralen?
Die Verbraucherzentralen ermöglichen es derzeit allen Bankkunden für einen Betrag von 85,00 € den Prämiensparvertrag neu berechnen zu lassen. Dabei wenden die Verbraucherzentralen als Referenzzins die von der Deutschen Bundesbank veröffentlichte Zinszeitreihe BBK01.BZ4860 an, allerdings als „gleitender Durchschnitt“.
Es handelt sich hierbei um bei der Zinszeitreihe BBK01.BZ4860 um eine von der Deutschen Bundesbank ermittelte und veröffentlichte Zinszeitreihe, die die Rendite börsennotierter Inhaberschuldverschreibungen mit einer Restlaufzeit von neun bis zehn Jahren abbildet.
Diese Zinszeitreihe BBK01.BZ4860 wird von den Verbraucherzentralen aber nicht angewandt, sondern in einen „gleitenden Durchschnitt“ umgerechnet, in dem teilweise Durchschnittszinsen aus einer zehnjährigen Zeitreihe genommen werden, teilweise aus einer sechsjährigen Zeitreihe, teilweise sogar aus noch kürzeren Zeitreihen. Das Vorgehen der Verbraucherzentralen ist willkürlich und entspricht nicht den Vorgaben des BGH!
Es handelt sich mithin nicht um einen
- von neutraler Stelle ermittelten Referenzzins
- in öffentlich zugänglichen Medien abgebildeten Referenzzins
- nach einem festgelegten Verfahren ermittelten Referenzzins.
Auf Frage eines Landgerichts, warum man den veröffentlichen Referenzzins nicht übernehme, sondern Umrechnungen vornehme, antwortete jüngst ein Verbraucheranwalt, dass dies doch erfolgen müsse, um „die harten Folgen der Niedrigzinsphase für den Verbraucher abzumildern“. Dies ist – mit Verlaub – aber kein vom BGH anerkanntes Kriterium. Der BGH verlangt vielmehr volle Transparenz, einfache Kontrollierbarkeit und Unterlassen jeglicher Bevorzugung einer der beiden Vertragsparteien.
Auf die weiteren Argumente, dass die Rendite von Inhaberschuldverschreibungen nicht vergleichbar ist, da diese – anders als die Einlagen im Prämiensparvertrag – nicht einem Einlagensicherungsfonds unterliegen, sondern der Insolvenzgefahr ausgesetzt sind, kommt es daher schon gar nicht an – auch nicht auf die Problematik der Langfristigkeit, die oben dargestellt wurde.
Rechnet nicht auch meine Bank mit „gleitenden Durchschnitten“?
Richtig, auch viele Banken legen als Referenzzins Zinszeitreihen mit einem „gleitenden Durchschnitt“ zugrunde. Der Unterschied ist aber, dass dies Zinszeitreihen sind, bei denen der „gleitende Durchschnitt“ von der Deutschen Bundesbank als neutrale Stelle nach einem genau festgelegten Verfahren ermittelt und veröffentlicht wird. Die Kriterien des BGH sind in diesen Fällen erfüllt. Insbesondere kann der Kunde durch einen einfachen Blick auf die Homepage der Deutschen Bundesbank feststellen, welcher Referenzzins für den jeweiligen Monat vorgegeben ist und mithin kontrollieren, ob die Bank sich an die eigene Vereinbarung hält.
Die Verwendung einer Zinszeitreihe, bei der von der Deutschen Bundesbank der „gleitende Durchschnitt“ ermittelt und veröffentlicht wird, kann nicht verglichen werden mit dem der Verbraucherzentrale, bei der die von der Deutschen Bundesbank veröffentlichte Zinszeitreihe mit „Monatswerten“ nachträglich verfremdet wird.
Absoluter oder relativer Zinsabstand?
In der Diskussion ergibt sich immer wieder die weitere Frage, ob der Abstand zwischen dem Vertragszins des Bonus- oder Prämiensparvertrages und dem gewählten Referenzzins „absolut“ oder „relativ“ zu bestimmen ist.
Was bedeutet dies?
Hatten die Parteien einen Sparvertrag mit einem variablen Zins von 3,5 % im Vertrag vereinbart zu einem Zeitpunkt, zu dem der Referenzzins 5 % beträgt, liegt der Vertragszins „absolut“ 1,5 %-Punkte unter dem Referenzzins, „relativ“ 30 % unter dem Referenzzins.
Fällt der Referenzzins in der Folgezeit im Rahmen der Niedrigzinsphase auf 3 %, beträgt der Vertragszins bei einem absoluten Zinsabstand: „3 % – 1,5 % = 1,5 %“, bei Annahme eines relativen Zinsabstandes: „3 % – 30 % = 2,1 %“.
Wäre das Zinsniveau und der Referenzzins stattdessen nicht von 5 % auf 3 % gefallen, sondern auf 7 % gestiegen, hätte sich entsprechend bei einem absoluten Zinsabstand ein Vertragszins ergeben von „7 % – 1,5 %-Punkte = 5,5 %“ und bei einem relativen Zinsabstand ein Vertragszins von „7 % – 30 % = 4,9 %“.
Bei einem relativen Zinsabstand hätte sich die Marge der Bank (für Risikovorsorge, Kosten und Gewinn) mithin beim steigenden Zinsniveau von anfangs 1,5 % auf 2,1 % erhöht, während bei sinkenden Zinsen die Marge der Bank geringer wird.
Relevant sind drei BGH-Entscheidungen:
Bereits in der Entscheidung aus dem Jahre 2004 stellt der BGH klar, dass die Zinsanpassungsparameter identisch sein müssen für ein steigendes Zinsniveau wie für ein fallendes Zinsniveau. Die Bank darf nicht differenzieren zwischen steigenden und fallenden Zinsen, sondern muss stets vergleichbar anpassen.
Der BGH hat in der Tat im Jahre 2010 in einer Entscheidung die Empfehlung ausgesprochen, dass man einen relativen Zinsabstand für angemessen erachte. Zur Begründung hat der BGH damals ausgeführt, dass dadurch Negativzinsen verhindert werden könnten. Die Entscheidung mag ihren Grund durchaus auch darin haben, dass im Jahre 2010 Negativzinsen auf Einlagen undenkbar waren. Insofern hat sich die Welt geändert.
Vor allem muss und kann der BGH-Entscheidung entgegengehalten werden, dass auch der relative Zinsabstand vor Negativzinsen nicht schützen würde, da zwischenzeitlich viele Zinszeitreihen im Passivgeschäft negative Werte aufweisen (so beispielsweise auch der Referenzzins, den das Oberlandesgericht Dresden annimmt) und eben 30 % von einem negativen Wert immer noch negativ ist.
Die dritte Entscheidung des BGH erging zu Preisanpassungsklauseln allgemein. Sowohl bei Bankverträgen, als auch bei Energielieferungsverträgen schreibt der BGH zwingend vor, dass Preisänderungsklauseln nicht dazu führen dürfen, dass sich die Gewinnmarge des Anbieters bei einem geänderten Preisumfeld erhöht. Genau dies wäre bei einem relativen Zinsabstand und steigendem Zinsniveau jedoch der Fall, da bei steigendem Referenzzinssatz und relativem Zinsabstand sich die Marge der Bank zwangsläufig vergrößern würde. Dies untersagt der BGH!
Was sagen die Verbraucherschutzzentralen?
Die Verbraucherschutzzentralen haben vor wenigen Jahren ihre Meinung hierzu geändert, seit die Entwicklung der Zinsen in den vergangenen Jahren bekannt ist. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt!
Nach Veröffentlichung der BGH-Entscheidung vom 17.02.2004 haben die Verbraucherzentralen Bayern, Sachsen und Nordrhein-Westfalen sogleich im Jahre 2004, aber auch noch im Jahre 2007 öffentlich die Auffassung vertreten, dass nur ein absoluter Zinsabstand richtig sei, da – insoweit sachlich zutreffend – hierdurch gewährleistet werde, dass die Bank ihre Marge nicht vergrößere und der Kunde stets den Zins erhalte, der aktuell am Markt für Neugeschäfte angeboten wird. Für 50,00 € konnte jeder Verbraucher damals über die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen seinen Sparvertrag entsprechend berechnen lassen.
Seit die Zinsentwicklung der vergangenen zehn bis 15 Jahren bekannt ist und eine Erholung der Zinsen nicht zu erwarten ist, haben die Verbraucherverbände ihre Rechtsauffassung geändert und sind heute der Meinung, dass die Niedrigzinsphase für den Verbraucher „abgemildert“ werden müsse. Den Sparverträgen sei ein relativer Zinsabstand zugrunde zu legen.
Dies kann höchstinstanzlich keine Bestätigung finden, da die ergänzende Vertragsauslegung „ex tunc“ vorzunehmen ist. Es gilt das, was damals (= ex tunc) vereinbart worden wäre, mithin in Unkenntnis der aus damaliger Sicht zukünftigen Zinsentwicklung.
Da der BGH vorgibt, das die Zinsänderungen bei steigendem Zinsniveau und bei sinkendem Zinsniveau identisch sein müssen und bei steigendem Zinsniveau es zu einer vom BGH verbotenen Margenausweitung kommen würde, kann der relative Zinsabstand nicht richtig sein.
Muss der Kunde Negativzinsen fürchten?
Kein Kunde eines Bonus- oder Prämiensparvertrages muss befürchten, dass ihm Negativzinsen belastet werden – auch nicht derart, dass sich durch Negativzinsen oder ein Verwahrentgelt (nur) der zusätzlich zugesagte Bonus schmälern würde.
In allen Prämien- und Bonussparvertragen sowie in den Bedingungen für den Sparverkehr ist geregelt, dass der Zins am Kalenderjahresende „gutgeschrieben“ oder „bezahlt“ wird. Ein negativer Betrag kann aber weder „gutgeschrieben“, noch „ausbezahlt“ werden, sondern ein negatives Entgelt müsste belastet werden.
Unabhängig davon, ob zwischen Referenzzins und Vertragszins ein relativer Abstand oder ein absoluter Abstand zu wahren ist, kann der Vertragszins maximal auf mindestens 0,0 % sinken. Der Sparvertragskunde muss mithin einen Negativzins nicht fürchten.
Anpassungszeitraum und Anpassungsschwelle
Nach der Entscheidung des BGH sind auch Vereinbarungen zum Anpassungszeitraum und zur Anpassungsschwelle zu treffen.
Sofern eine Regelung nicht getroffen (oder im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung unterstellt) wird, wäre nach dispositivem Recht monatlich eine Zinsanpassung vorzunehmen. Üblich ist im gesamten Rechtsverkehr zwischen Bank und Kunde eine nicht allzu hohe Anpassungsschwelle, damit nicht jede Zinsänderung in der dritten oder vierten Stelle hinter dem Komma zu einer Änderung des Vertragszinses führt.
Üblich und angemessen ist auch ein vierteljährlicher Zeitraum, beispielsweise für Rechnungsabschlüsse. Die Einführung einer Zinsanpassungsschwelle und eines Zinsanpassungszeitraums erhöht im Kundeinteresse die Transparenz, die Kontrollierbarkeit und führt – in beiderseitigem Interesse – zu geringeren Kosten.
Muss die Bank die Zinsen für alle (bis zu 25) Vertragsjahre nachrechnen?
Sofern es sich um Sparverträge handelt, die ab dem Jahr 2005 abgeschlossen sind, ist ein Grund zur Nachberechnung nicht erkennbar, sofern ein konkretes Verfahren zur Zinsanpassung, das den Kriterien des BGH Rechnung trägt, in den Verträgen vereinbart ist. In diesen Fällen ist nichts zu unternehmen.
Für Bonus- oder Prämiensparverträge, die vor 2004 vereinbart wurden, kann man sicherlich vor Gericht darüber streiten, ob die Zinsanpassungsparameter, die von der Bank seit 2004 oder 2005 angewandt werden, einzig richtig sind oder ob im Rahmen der „ergänzenden Vertragsauslegung“ nicht andere Parameter im beiderseitigen Interesse besser passen würden. Selbst wenn allerdings ein Gericht zu dem Ergebnis käme, dass die Zinsen in Ermangelung einer konkreten Vertragsvereinbarung von der Bank nicht ganz korrekt festgelegt wurden, kann der Kunde heute nur noch für wenige Jahre eine Erhöhung bzw. Nachzahlung der Zinsen verlangen.
Zwischen Bank und Kunde ist vereinbart, dass die Zinsen jeweils zum Kalenderjahresende fällig werden. In der Regel kann der Kunde seine Zinsen sogar in den ersten beiden Monaten des Folgejahres bar abheben; anderenfalls werden die Zinsen kapitalisiert.
Mit Fälligkeit zum Kalenderjahresende ergibt sich für die Bank die Verpflichtung, die Zinsen zu errechnen und gutzuschreiben sowie Kapitalertragssteuer abzuführen, sofern ein Freistellungsauftrag nicht vorliegt. Für den Kunden ergibt sich damit die Möglichkeit, Zinsen kurzfristig bar abzuheben, zukünftig von Zinseszinsen zu profitieren und, sofern der Freistellungsauftrag nicht vollständig ausgefüllt ist, die jährlichen Zinsen ohne Steuerabzug zu vereinnahmen. Mithin entsteht der Anspruch des Kunden jährlich zum 30.12.
Sollte die Bank die Zinsen der Höhe nach zu niedrig berechnet haben, hätte sie den Anspruch des Kunden noch nicht vollständig erfüllt.
Seit der Schuldrechtsreform im Jahre 2001 verjähren Ansprüche innerhalb von drei Jahren ab Kenntnis. Kenntnis von der Zinshöhe erlangt der Kunde mit Eintrag im Sparbuch oder Zusendung eines elektronischen Kontoauszuges. Regelmäßig erlangt der Kunde nicht am 30.12. eines Jahres Kenntnis, sondern meist erst im Folgejahr, wenn der Kontoauszug versandt und gelesen oder das Sparbuch nachgetragen wird.
Wenn überhaupt stehen mithin dem Kunden regelmäßig Nachzahlungsansprüche für vier oder fünf Jahre zu – mehr nicht. Selbst wenn heute ein anderer Referenzzins, ein anderer Zinsabstand oder kürzere Zinsanpassungsperioden angenommen werden, hat dies für die Verträge regelmäßig kaum eine Auswirkung, da das Zinsniveau und die Referenzzinssätze in den vergangenen Jahre derart niedrig sind, dass regelmäßig der Sparkunde auf seinen Prämiensparvertrag nicht mehr „Referenzzins minus Zinsabstand“ erhält, sondern von der Regelung, dass stets 0 % oder gar 0,01 % bezahlt werden, profitiert.
Anders ist dies nur, wenn man – wie das Oberlandesgericht Dresden – eine Verjährung ablehnt, da der „Anspruch auf Zinsen“ erst mit Beendigung des Sparvertrages und dem Auszahlungsbegehren des Kunden entstehe. Das Oberlandesgericht Dresden verwechselt hier – mit Verlaub – den Anspruch auf die Zinsgutschrift mit dem Anspruch auf die Auszahlung.
Wie soll man als Bank jetzt vorgehen?
Nach dem Pressebericht infolge der Pressemitteilung der BaFin ist sicherlich vermehrt mit Kundenanfragen zu rechnen.
Sofern es sich um Verträge nach dem Jahre 2004 oder 2005 handelt, sollten die Kunden auf die vertraglichen Vereinbarungen „Verfahren der Zinsanpassung“ in den jeweiligen Verträgen hingewiesen werden. Diese sind regelmäßig hinreichend transparent und entsprechen den Vorgaben des BGH. Hier ist nichts zu unternehmen.
Für Bestandsverträge, die vor dem Jahr 2004 abgeschlossen wurden, sollte den Kunden auf Nachfrage mitgeteilt werden, welches Verfahren der Zinsanpassung konkret zugrunde gelegt wurde und ab wann. Hierauf hat jeder Bankkunde einen Anspruch. Sofern in den vergangenen Jahren zugunsten des Kunden abgewichen wurde, ist dies ebenfalls mitzuteilen.
Ärgerlich ist, dass die BaFin in ihrer Pressemitteilung den Eindruck erweckt, als ob die Banken seit 2004 auf ein Urteil des BGH nicht reagiert hätten. Dies ist wahrlich nicht der Fall.
Was wird die BaFin unternehmen?
Die BaFin unterstellt in ihrer Pressemitteilung den Banken, dass diese verpflichtet wären, „auf ihre Kunden zuzugehen“. Dies impliziert den Vorwurf eines Fehlverhalten, dass nicht gegeben ist. Sofern ab 2005 angemessene Zinsanpassungsparameter ermittelt und den Abrechnungen zugrunde gelegt werden, gibt es keinen Grund, auf Kunden zuzugehen. Verträge sind vertragsgemäß abzurechnen. Bei irgendwann steigenden Zinsen wird auch kein Kunde bei einem langfristigen Kreditvertrag auf die Bank zugehen und freiwillig höhere Zinsen anbieten.
Die BaFin teilt mit, „konkrete verwaltungsrechtliche Optionen“ zu prüfen.
Sollte die BaFin sich entscheiden, Verwaltungsakte zu erlassen, wären diese beim Verwaltungsgericht überprüfbar. Die beiläufig geäußerte Rechtsauffassung eines Oberlandesgerichts in einer nicht rechtskräftigen Entscheidung, die teilweise im Widerspruch zu früheren Entscheidungen des BGH steht, kann kaum Grundlage für eine Aufforderung einer Behörde sein, ein bestimmtes Verhalten zu verlangen. Insofern ist eher zu befürchten, dass die BaFin – wie in den letzten Jahren öfters, z.B. jüngst auch bei den Gewinnausschüttungen in der aktuellen Corona-Krise – nicht rechtlich überprüfbare Verwaltungsanweisungen erlässt, sondern ihre Auffassung in Empfehlungen formuliert, die nicht rechtlich überprüfbar sind. Solches Verhalten der Behörde ist sehr bedenklich.
Johannes Meinhardt, M.B.A.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht