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HAFTUNGSRISIKEN DES GESCHÄFTSFÜHRERS FÜR STEUERN TROTZ INSOLVENZRECHTLICHER SICHERUNGSANORDNUNG
Der Bundesfinanzhof verschärft mit Urteil vom 22.10.2019 (Az.: VII R 30/18) die Risiken für Geschäftsführer in der (vorläufigen) Insolvenz:
Das beklagte Finanzamt nahm den alleinigen Geschäftsführer einer GmbH wegen rückständiger Lohnsteuer nebst Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer sowie Säumniszuschläge persönlich in Haftung. Hintergrund war, dass eine Lohnsteueranmeldung am 08.02.2013 für Lohnzahlungen des Monates Januar 2013 vorlag. Ausgezahlt wurde dieser Lohn Anfang 2014. Aus diesem Grunde war Abgabetermin für die Steuer am 10.03.2013. Diese Abgabe wurde von der Gesellschaft nicht beglichen. Stattdessen wurde am 07.03.2013 ein Insolvenzantrag gestellt und am 08.03.2013 vom Insolvenzgericht eine besondere Sicherungsmaßnahme gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1, 2, 2. Halbsatz, InsO. angeordnet, nämlich die Verfügungsbeschränkung über das Vermögen der GmbH. Der Geschäftsführer durfte nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters Verfügungen vornehmen.
Unmittelbar vor dieser Anordnung des Gerichtes hatte ein Mitarbeiter des vorläufigen Insolvenzverwalters den Geschäftsführer darüber informiert, dass einseitig getroffene Verfügungen, insbesondere auch Banküberweisungen, untersagt sind.
Das Finanzamt erließ dennoch einen Haftungsbescheid gegen den Geschäftsführer, der hiergegen Klage beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg erhob. Die Klage war erfolgreich. Das Finanzgericht ließ die Revision zum BFH zu. Der BFH hob das Urteil des Finanzgerichtes auf und verwies die Angelegenheit an das Finanzgericht zurück.
Der BFH begründet dies im Kern damit, dass die Nichtabführung der Lohnsteuer eine Verletzung der gesetzlichen Pflichten des Geschäftsführers ist, die zumindest als grob fahrlässig anzusehen ist. Dies ändert sich auch durch die Zahlungsschwierigkeiten der Gesellschaft nicht. Lediglich die Bestellung eines „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters hindert den Geschäftsführer nicht daran, die Lohnsteuer grundsätzlich zu bezahlen. Vielmehr muss er ausdrücklich den vorläufigen Insolvenzverwalter auffordern, der Zahlung zuzustimmen. Lediglich wenn der Insolvenzverwalter dies verweigert, entfällt die grobe Fahrlässigkeit.
Auch wenn die Entscheidung nach Ansicht des Unterzeichners kaum nachzuvollziehen ist, muss sie natürlich berücksichtigt werden. In der Praxis kann der Geschäftsführer zwar ohne Zustimmung des Insolvenzverwalters keine Überweisungen mehr tätigen; auch wird der Insolvenzverwalter einer solchen in der Regel nicht zustimmen. Dennoch ist es nach obiger Rechtsprechung erforder-lich, ausdrücklich eine entsprechende Anfrage beim Insolvenzverwalter vorzunehmen und dies zu dokumentieren.
Dr. Norbert Gieseler
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Steuerrecht
Fachanwalt für Erbrecht