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09.01.2024 | Erbrecht
Kann der behandelnde Arzt wirksam als Erbe eingesetzt werden?
Über diese Frage hatte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 21.12.2023 (Az. 21 W 91/23) zu entscheiden:
Die Erblasserin hatte ihren behandelnden Arzt in mehreren Testamenten, unter anderem in einem Testament aus dem Jahr 2021, als Miterbe neben anderen Freunden und Verwandten eingesetzt. Dieses Testament aus dem Jahr 2021 hatte sie dem Arzt vorgelegt und ihn darum gebeten, eine Bestätigung ihrer Testierfähigkeit auf dieses Testament aufzubringen. Der Arzt hat daraufhin einen entsprechenden Vermerk auf dem Testament angebracht. Nach dem Tod der Erblasserin beantragte der behandelnde Arzt und zwei weitere Miterben die Erteilung eines Erbscheins auf der Grundlage dieses Testaments.
In dem Erbscheinsverfahren hatten die übrigen Miterben das Testament mit der Begründung angefochten, es liege ein Verstoß gegen § 32 der Berufsordnung der hessischen Ärztekammer (§ 32 BO-Ä) vor. Gemäß § 32 Abs. 1 BO-Ä ist es „Ärztinnen und Ärzten nicht gestattet, von Patientinnen und Patienten (…) Geschenke oder andere Vorteile (…) sich versprechen zu lassen oder anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird“. Des Weiteren sei die herzkranke und pflegebedürftige Erblasserin testierunfähig gewesen.
Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag zurückgewiesen. Das Testament aus dem Jahr 2021 sei betreffend der Erbeinsetzung des behandelnden Arztes wegen eines Verstoßes gegen § 32 BO-Ä teilnichtig, sodass der Erbscheinsantrag nicht zutreffend sei.
Vor dem Oberlandesgericht hatte die hiergegen gerichtete Beschwerde des behandelnden Arztes Erfolg.
Der Arzt sei wirksam als Miterbe eingesetzt worden, stellte das OLG fest. Die berufsständische Regelung in der Satzung der Landesärztekammer stelle zwar im Ausgangspunkt ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB dar. Eine verfassungskonforme Auslegung ergebe jedoch, dass ein etwaiger Verstoß des Arztes nicht zur Nichtigkeit der Testierung durch die Erblasserin führe. Anders als vergleichbare Verbotsgesetze im Bereich der Pflege in Heimen (früher § 14 HeimG, heute § 6 HBPG) deren Schutzbereich auch den Testierenden umfasst, richtet sich § 32 BO-Ä in erster Linie an den behandelnden Arzt als Mitglied der Ärztekammer. § 32 BO-Ä enthalte demnach kein an den Testierenden gerichtetes Testierverbot. „Eine solche Auslegung würde einen unangemessenen Eingriff in die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Testierfreiheit darstellen“, begründete der Senat weiter. Auch gebe es keine Anhaltspunkte für die Testierunfähigkeit der Erblasserin.
Diese Entscheidung ist noch anfechtbar. Weil es sich um eine bisher noch nicht höchstrichterlich entschiedene Frage handelt, hat das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen.
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Dr. Norbert Gieseler
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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