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19.02.2021 | Bank- und Kapitalmarktrecht:
Landgericht entscheidet, dass Kunden von langjährigen Prämiensparverträgen keine Ansprüche auf Zinsnachzahlung zustehen
Viele Banken und Sparkassen haben in der Niedrigzinsphase langjährige unbefristete Prämiensparverträge gekündigt. Diese meist zwischen 1993 und 2004 vereinbarten Prämiensparverträge sehen einen variablen Zins sowie hohe jährliche Prämien vor.
Streitig ist immer wieder, ob den Sparkassen das Kündigungsrecht überhaupt zustehe.
Streitig ist auch, ob die Sparkassen die Zinsen während der Vertragslaufzeit richtig berechnet haben und/oder ob Kunden Zinsnachzahlungsansprüche geltend machen können.
Anlass für diese Diskussion sind Entscheidungen des BGH aus den Jahren 2004 und 2010, in denen der BGH seine bis 2003 vertretene Rechtsauffassung aufgegeben hat, dass bei Sparverträgen die Sparkasse den variablen Zins grundsätzlich im Rahmen eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechtes frei festlegen könne. Erstmals im Jahre 2004 hat der BGH entschieden, dass auch bei langfristigen Sparverträgen die Sparkasse kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht habe, sondern die Zinsänderungsparameter konkret im Vertrag angeben und vereinbaren müsse.
Problem ist, dass dies bei bestehenden langfristigen Verträgen nicht nachgeholt werden kann. In diesen Fällen ist im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung zu ermitteln, was die Parteien wohl schriftlich vereinbart hätten, wenn ihnen bei Vertragsabschluss bekannt gewesen wäre, dass dieser Punkt schriftlich zu fixieren ist.
Die Banken und Sparkassen sind – anders als dies heute in der öffentlichen Presse dargestellt wird – nach der Verkündung der Urteilsgründe im Jahre 2004 nicht untätig geblieben, sondern haben sowohl für das Neugeschäft, als auch für Bestandsverträge feste Kriterien der Zinsanpassung entwickelt. In den neuen Verträgen wurden diese tausendfach einvernehmlich vereinbart. Bei Bestandsverträgen wurden diese identisch angewandt.
Beinahe alle Banken und Sparkassen haben ab 2004 für Neuverträge sowie für Bestandsverträge Zinsanpassungsparameter fixiert und den Vertragszins regelmäßig angepasst. Als Referenzzins wurde regelmäßig eine Kombination aus mehreren von der Deutschen Bundesbank ermittelten und veröffentlichten Zinszeitreihen gewählt, die sowohl den Langfristcharakter des Sparvertrages berücksichtigen, als auch die Möglichkeit der jederzeitigen kurzfristigen Kündigung durch den Sparer sowie die Ansparung durch geringe monatliche Raten. Der Vertragszins lag stets 2,25 Prozentpunkte unter dem entsprechend fixierten und öffentlich ermittelten Referenzzins.
Aus heutiger Sicht und in Kenntnis der seit Jahren anhaltenden Niedrigzinsphase meinen manche Verbraucher, dass sie mit einem anderen Referenzzins besser gefahren wären und es in Kenntnis der Niedrigzinsphase für den Verbraucher besser gewesen wäre, wenn Zinssenkungen nicht 1:1 weitergegeben worden wären, sondern Zinsreduzierungen nur teilweise auf die Verbraucher umgelegt worden wären.
Erstaunlicherweise hat sich auch die BaFin medienwirksam in diese Diskussionen eingeschaltet und die Banken aufgefordert „auf die Verbraucher zuzugehen“, obwohl hierzu eigentlich Anlass nicht besteht, sofern die Banken und Sparkassen auch bei Bestandsverträgen fixe Anpassungsparameter beachtet haben.
Das Landgericht Bamberg hat erstmals am 18.12.2020 in mehreren Verfahren entschieden, dass Verbraucher nach Kündigung langfristiger Prämiensparverträge Zinsnachzahlungsansprüche nicht verlangen können, nachdem unsererseits dargelegt und nachgewiesen worden war, dass die Zinsen in den Bestandsverträgen ab 2005 nach festen Kriterien stets korrekt angepasst wurden – vergleichbar den Zinssätzen, die im Neugeschäft angeboten worden waren.
Das Landgericht führt in seiner gut begründeten Entscheidung aus:
“Ergänzende Vertragsauslegung bedeutet nicht, dass das Gericht anstelle der Parteien nunmehr, gegebenenfalls sachverständig beraten, die objektiv beste Lösung bestimmt, bei der die Interessen der Parteien in optimaler Weise ausgeglichen werden. Bei der ergänzenden Vertragsauslegung ist vielmehr danach zu fragen, wie die Parteien den Vertrag gestaltet hätten, wenn ihnen die nicht bedachte Unwirksamkeit der Zinsklausel bewusst gewesen wäre.
Dabei kann der tatsächliche Wille der Parteien, soweit er feststellbar ist, nicht außer Betracht bleiben. Da eine inhaltliche Abänderung des Vertrages im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nicht erfolgen darf, kann das, was dem tatsächlichen Willen der Vertragsparteien widerspricht, nicht als Inhalt ihres hypothetischen Willens gelten (BGH, Urteil vom 01.02.1984, VIII ZR 54/83; Urteil vom 22.04.1953, II ZR 143/52).
Es ist also ein individueller, nicht ein gesetzgeberisch generalisierender Maßstab anzulegen. Es kommt darauf an, dass der Richter die Wertungen der Beteiligten zu Ende denkt, nicht darauf, dass er eigene setzt.
Die ergänzende Auslegung ist, auch wenn sie als normative Vertragsrechtsfortbildung gedacht wird, kein Freibrief zur Vertragsgestaltung durch Gerichte (Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2018, Rn. 47 zu§ 157 BGB).
Lässt sich daher in dem konkreten Fall feststellen, was die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Lücke ihres Vertragswerks bewusst gewesen wäre, so ist dies grundsätzlich maßgeblich.“
Das Landgericht Bamberg hat inzwischen in einer großen Zahl von Verfahren, die von Verbrauchern geltend gemachten Zahlungsansprüche vollständig zurückgewiesen. Der oben zitierten Entscheidung vom 18.12.2020 folgten weitere Urteile, die dieses Ergebnis bestätig haben, am 12. Januar sowie am 26. Januar 2021.
Weitere Informationen zum Bankrecht
Johannes Meinhardt, M.B.A.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht