Greenwashing vor Gericht
31. Juli 2023BGH entscheidet erneut über Kündigungsrecht bei Prämiensparverträgen
15. August 2023
07.08.2023 | Erbrecht
Lebensgefährte darf nicht ins Haus!
Das Oberlandesgericht Hamm hatte unter dem Aktenzeichen 10 U 58/21 am 19.07.2023 über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Die Klägerin war einzige Tochter der Erblasserin und erbte zusammen mit ihrer Tochter im Wesentlichen ein Hausgrundstück. Dieses Einfamilienhaus stand seit Jahrzehnten im Eigentum der Familie und wurde von der Erblasserin, der Erbin und ihrer Tochter (Enkelkind der Erblasserin) bewohnt. Die Tochter hatte einen langjährigen Lebensgefährten, der eine eigene Wohnung in der Nachbarschaft hatte, im Haus aber ein und aus ging und Ziehvater der Enkeltochter war. Er verrichtete auch einige Reparaturen in dem Haus. In der Familie gab es kein Zerwürfnis. In dem notariellen Testament wurden sowohl die Tochter, als auch die Enkeltochter als Erbinnen eingesetzt. Dies stand jedoch unter zwei Bedingungen. Den Erbinnen war zunächst untersagt, das Grundstück an den Lebensgefährten der Tochter zu übertragen. Darüber hinaus sollten die Erbinnen dem Lebensgefährten der Tochter auf Dauer untersagen, das Grundstück zu betreten. Zur Überwachung wurde eine Testamentsvollstreckung bestimmt. Der Testamentsvollstrecker sollte bei Verstoß die Immobilie veräußern und den Erlös zu ¼ auf die Tochter, ¼ auf die Enkelin übertragen und den Rest gemeinnützigen Zwecken zukommen lassen.
Die beiden Erbinnen verlangten nunmehr vor dem Landgericht Bochum die Feststellung, dass die Bedingung des Betretungsverbots als sittenwidrig nichtig sei. Das Landgericht Bochum gab der Klage statt und sah das Betretungsverbot als sittenwidrig an. Hiergegen wandte sich der Beklagte mit der Berufung an das Oberlandesgericht Hamm. In der mündlichen Verhandlung wurde die Rechtslage mit den Parteien eingehend erörtert. Das Oberlandesgericht führte hierzu aus, dass an die Sittenwidrigkeit, die zur Nichtigkeit führen würde, sehr hohe Anforderungen gestellt werden. Grundsätzlich habe der Erbe einen sehr großen Gestaltungsspielraum, sodass Sittenwidrigkeit nur in engsten Ausnahmefällen vorliege – und zwar wenn eine Abwägung zwischen der Testierfreiheit des Erblassers und den Freiheitsrechten des Betroffenen die Bedingung zu einer Unzumutbarkeit des Bedachten führt, indem Druck ausgeübt wird, der im höchstpersönlichen Bereich des Betroffenen hineinreicht.
Bedingungen, die lediglich die Nutzung des vererbten Vermögensgegenstand betreffen, sind hingegen regelmäßig zulässig. Die vorliegende Bedingung weist einen klaren Bezug auf die Nutzung des vererbten Hausgrundstückes auf. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles, steht hier jedoch im Vordergrund, dass dem langjährigen Lebensgefährten der Tochter, zugleich Ziehvater der Enkelin, der Zugang zu der schon vor dem Erbfall benutzten Wohnung auf einmal verweigert werden soll. Das bis zum Tode der Erblasserin unstreitig praktizierte familiäre Zusammenleben könne aufgrund der Bedingungen nicht mehr in dieser Form fortgeführt werden. Damit ist auch der höchstpersönliche Bereich der Lebensführung der Tochter betroffen, sodass diese Bedingungen zur Sittenwidrigkeit und damit zur Nichtigkeit führt. Für die Rechtsfolge ist weiterhin davon auszugehen, dass die Erblasserin die Tochter und die Enkeltochter auch ohne die Unwirksamkeit der Bedingung zu Erben eingesetzt hätte, sodass die Sittenwidrigkeit dazu führt, dass allein die angegriffene Bedingung entfällt. Aufgrund dieses rechtlichen Hinweises nahm der Beklagte die Berufung zurück und das Urteil des Landgerichtes Bochum wurde rechtskräftig.
Dr. Norbert Gieseler
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Steuerrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Weitere Informationen zum Erbrecht
Dr. Norbert Gieseler
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Steuerrecht
Fachanwalt für Erbrecht