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Das „Whistleblower-Gesetz“ – Neuerungen für Arbeitgeber im Hinweisgeberschutzgesetz
Am 02.07.2023 tritt das Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen, kurz Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) in Kraft. Auch vielfach als „Whistleblower-Gesetz“ bezeichnet, stellt es die (verspätete) deutsche Umsetzung der EU-Richtlinie RL(EU) 2019/1937 vom 23.10.2019 dar. Bereits Ende 2020 lag ein erster Entwurf des Gesetzes vor, welcher jedoch aufgrund nicht abzusprechender politischer Bedeutung Gegenstand zahlreicher Änderungen war, was letztendlich erst zur Verkündung im Juni 2023 führte.
Ziel und Hintergrund des HinSchG ist der Schutz von Personen, die verbunden mit ihrer beruflichen Tätigkeit über Verstöße des Arbeitgebers, sei es gegen straf- oder arbeitsrechtliche Vorschriften, Kenntnis erlangt haben und diese melden. Mit dem HinSchG wird nun ein einheitlicher Schutz von Hinweisgebern geschaffen, was bislang nur bereichsspezifisch, beispielsweise im Finanzsektor (§§ 25 a I 6 Nr. 3 KWG, 58 WpHG), verpflichtend war.
Die wesentlichen Vorgaben des Gesetzes kurz zusammengefasst:
- Nach §§ 1, 8, 36 HinSchG werden „hinweisgebende Personen“ geschützt, welche im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Kenntnis von Verstößen im Sinne des Gesetzes erlangt haben. Aufgrund der weiten Formulierung werden auch Stellenbewerber, Leiharbeitnehmer und Organmitglieder geschützt.
- Von den Hinweisgebern können Verstöße gegen Strafvorschriften, Verstöße gegen Unionsrecht und unter gewissen Voraussetzungen auch Ordnungswidrigkeiten sowie Verstöße gegen Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder gemeldet werden. Dies umfasst auch Verstöße gegen Arbeits- oder Gesundheitsschutz, Produktsicherheit oder sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.
- Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten müssen bis zum 17.12.2023, mit über 249 Beschäftigten bis zum 02.07.2023 die Vorgaben des Gesetzes umsetzen. Dies umfasst insbesondere die Einrichtung einer internen Meldestelle nach § 12 HinSchG. Verstöße hiergegen sind ab dem 01.12.2023 (>249 Mitarbeiter), respektive dem 17.12.2023 (50-249 Mitarbeiter) mit einem Bußgeld sanktionierbar. Für bereichsspezifische Unternehmen nach § 12 III HinSchG gilt die Pflicht unabhängig der Mitarbeiterzahl. Weiter werden auch externe Meldestellen, beispielsweise beim Bundesamt für Justiz, eingerichtet.
- Meldestellen haben die Vertraulichkeit der Identität hinweisgebender Personen zu wahren. Dies umfasst auch ein Verbot jedweder Repressalien, die im Zusammenhang mit der Offenlegung stehen, § 36 HinSchG. Die Beweislast, dass eine Benachteiligung nicht im Zusammenhang mit der Offenlegung steht, trägt künftig der Arbeitgeber.
Für Unternehmer bzw. Arbeitgeber ist die interessengerechte Umsetzung der Vorgaben des HinSchG somit in zweierlei Hinsicht relevant – sowohl zur Vermeidung von Bußgeldern als auch dem Umgang mit internen Verstößen. Als besonders relevant stellen sich die folgenden Aspekte dar:
- Art und Umfang der Einrichtung einer internen Meldestelle nach § 12 I HinschG. Der Arbeitgeber muss, falls noch kein solches System besteht, seinen Beschäftigten eine Möglichkeit schaffen, unter Wahrung aller Vertraulichkeit (jedoch nicht zwingend anonym) mündlich oder in Textform Verstöße zu melden. Dies kann freilich auch durch ein IT-basiertes Hinweisgebersystem im Intranet (oder mit einer eigens eingerichteten E-Mail-Adresse) geschehen. Die Meldestelle muss die Vorgaben des HinSchG, wie die rechtzeitige Rückmeldung und Information des Hinweisgebers über den Fortgang beachten.
- Entsprechende Stellen müssen innerhalb der vorbezeichneten Fristen eingerichtet werden, um Bußgelder zu vermeiden.
- Meldestellen können auch in anderen Konzernunternehmen angesiedelt sein oder durch „Dritte“ wahrgenommen werden, § 14 I HinSchG. Wird ein „Dritter“ i.S.d. Norm beauftragt, bleibt der Arbeitgeber dennoch selbst verantwortlich, den Verstoß abzustellen. In Unternehmen bis 249 Beschäftigten kann auch eine gemeinsame Meldestelle errichtet werden.
- Unter gewissen Voraussetzungen (§ 32 HinSchG) ist es Hinweisgebern auch gestattet, Verstöße öffentlich, beispielsweise über soziale Netzwerke, offenzulegen und dennoch den Schutz des HinSchG zu genießen. In § 7 III HinSchG gibt das Gesetz lediglich eine Anregung, Verstöße bevorzugt intern zu behandeln. Hier hat es der Gesetzgeber verpasst, selbst weitere Anreize zu schaffen.
Es sollte somit im unmittelbaren Eigeninteresse des Arbeitgebers liegen, ein System zu schaffen, in welchem potentielle Verstöße bevorzugt an die unternehmensinterne Stelle gemeldet werden, um diese ohne gesteigerte Aufmerksamkeit zu beenden.
Mit dem Hinweisgeberschutzgesetz wird mithin ein sehr weitreichendes System geschaffen, welches „Whistleblower“ auf mehreren Ebenen schützt. Die daraus resultierenden Pflichten für Arbeitgeber, gerade kleinere und mittelständische Unternehmen, welche nicht über differenzierte Compliance-Systeme verfügen, sind nicht zu vernachlässigen. Für den Arbeitgeber stellt dies jedoch auch eine Chance dar, potentiell unbekannte Verstöße effizient zu erkennen und zu beenden.
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Max Müller
Rechtsanwalt