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14.10.2020 | Insolvenzrecht:
P&R-Anleger müssen Rückforderungen des Insolvenzverwalters doch nicht fürchten
Im ersten Musterprozess hat das Landgericht Karlsruhe mit Urteil vom 10.07.2020 die Klage des Insolvenzverwalters vollumfänglich kostenpflichtig abgewiesen.
Medienwirksam hat der Insolvenzverwalter der P&R-Gruppe angekündigt, Anleger in Haftung nehmen zu wollen und von den Investoren die Zahlungen zurückzufordern, die die P&R-Gruppe in den letzten drei Jahren vor Insolvenzantrag an Mieten und Rückkaufpreisen für Container ausgezahlt hatte.
Publicityträchtig hat der Insolvenzverwalter verkündet, dass dies nicht nur die 90.000 laufenden Verträge mit mehr als 50.000 Anlegern betreffe, die zum Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung aktuell waren und von P&R bis wenige Wochen vor Insolvenzantrag bedient wurden. Der Insolvenzverwalter verkündete, dass er auch die Anleger in Regress nehmen wolle, deren Verträge zwischen April 2014 und März 2017 beendet wurden und die regelmäßig ca. 60 % der Investitionssumme als Rückkaufspreis erhalten haben, sofern sie ihre Investitionsverträge nicht verlängert haben.
Nach medienwirksamer Ankündigung führt der Insolvenzverwalter (nur) acht Musterprozesse gegen Anleger. Zur Begründung bezieht sich der Insolvenzverwalter auf die Rechtsprechung des BGH zu Scheingewinnen und meint, dass diese anzuwenden wäre, da P&R mehr Container verkauft und vermietet hat als existent waren und damit die Konstruktion einem Schneeballsystem gleiche.
Dem ist jedoch nicht so:
(1)
Ein Anfechtungsrisiko (im Hinblick auf die BGH-Rechtsprechung zu Scheingewinnen) würde voraussetzen, dass Gegenstand der streitgegenständlichen Verträge nicht existente Container gewesen wären.
Ausweislich der Pressemitteilungen des Insolvenzverwalters sollen erstmals ab 2007 anfangs wenige, später in zunehmendem Maße „Kauf- und Verwaltungsverträge“ über Container angeboten und abgeschlossen, die nicht existent waren. Zum Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung im Jahre 2018 wären 1,6 Mio. Container vertragsgegenständlich, während real nur 618.000 Container existent gewesen wären.
Dies bedeutet im Umkehrschluss aber, dass selbst zum Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung knapp die Hälfte der Container, bezüglich derer Kauf- und Verwaltungsverträge abgeschlossen worden waren, existent waren und reale Verkaufspreise, plausible Mieteinnahmen und reale Rückkaufpreise mit Eigentumsübertragung geschlossen werden konnten und wurden.
Solange nicht feststeht, dass konkret die Container, die Gegenstand des Kauf- und Verwaltungsvertrages waren, nicht existent gewesen wären, drohen Anfechtungsansprüche nicht.
Nur dann, wenn die Container, die vertragsgegenständlich sind, nicht existent wären, wäre eine erste Voraussetzung für ein Anfechtungsrecht dargelegt.
Anfechtungsprozesse, derzeit immerhin 8 Verfahren, führt der Insolvenzverwalter nur für Verträge, bei denen Container vertragsgegenständlich waren, die nie existent waren.
Auf Eigentumszertifikate dürfte es hingegen nicht ankommen, da die Vertragskonstruktion auch als Übertragung eines Miteigentumsanteils an einer Vielzahl von Containern angesehen werden kann, insb. da bei Verlust Ersatz zugesagt war.
(2)
Selbst wenn man für die weitere rechtliche Überlegung unterstellt, dass vertragsgegenständlich Container gewesen wären, die nicht existent gewesen wären, stehen dem Insolvenzverwalter Anfechtungsansprüche nicht zu:
Unabhängig von der Frage, ob die vertragsgegenständlichen Container existent waren oder Scheinverträge geschlossen wurden, sind die quartalsweise gezahlten garantierten Mieten nicht nach § 134 InsO anfechtbar, da ausdrücklich vereinbart wurde, dass P&R diese Zahlungen schuldet unabhängig davon, ob tatsächlich Mieteinnahmen erzielt werden oder nicht:
„P&R … garantiert dem Investor, dass bereits zum Zeitpunkt der Eigentumsübertragung ein Miet- oder Agenturverhältnis besteht … P&R zieht die Mieten für den Investor ein. Etwaige Unterdeckungen gegenüber der garantierten Miete gehen zu Lasten der P&R. Eventuell über den Betrag der garantierten Miete hinausgehende Mieteinnahmen verbleiben bei P&R, der dieser Überschuss als Verwaltungsgebühr hiermit abgetreten wird. …
P&R garantiert dem Investor für die Dauer von … Jahren einen Tagesmietsatz von …. € pro Container, d. h. … % des Kaufpreises p. a.“
Es war mithin nicht vereinbart, dass reale Mieten ausgeschüttet werden, sondern P&R hat eine eigene Zahlungsverpflichtung im Vertrag übernommen – unabhängig davon, ob entsprechende Mieteinnahmen erzielt werden. Es handelt sich somit nicht um die Ausschüttung von „Scheingewinnen“, sondern um die Erfüllung eines „Garantieversprechens“.
Die Erfüllung eines Garantieversprechens ist aber keine unentgeltliche Leistung im Sinne von § 134 InsO.
Garantieausschüttungen sind (anders als Scheingewinne) nach der Rechtsprechung des BGH eben gerade nicht anfechtbar, da der (spätere) Insolvenzschuldner mit der Leistung nur der Erfüllung seiner vertraglich übernommenen Pflicht nachkommt (vgl. BGH, Urteil vom 20.04.2017, Az: IX ZR 189/16, Rn. 9 ff., insbesondere Rn. 10 m.w.N.).
(3)
Auch der von P&R gezahlte Rückkaufspreis dürfte nicht nach § 134 InsO anfechtbar sein, selbst wenn man unterstellt, dass die vertragsgegenständlichen Container nicht existent gewesen wären.
§ 134 InsO würde eine unentgeltliche Leistung voraussetzen.
a)
Beachtet man das Abstraktionsprinzip, dürfte P&R eine Gegenleistung erhalten haben.
Unterstellt für die nachfolgende Überlegung, dass die vertragsgegenständlichen Container nicht existent waren, hat P&R zu Beginn der Vertragslaufzeit Geld erhalten und den als Gegenleistung zugesagten Anspruch auf Übereignung der vertragsgegenständlichen Container nicht erfüllt.
Mit dem Rückkauf der (unterstellt) nicht existenten Container erhält P&R einen Anspruch auf Übereignung der Container, bezüglich derer P&R seine Übereignungsverpflichtung noch nicht erfüllt hat.
Da sich die Übereignungsansprüche gegenüberstehen, wird P&R von der fünf Jahre früher eingegangenen Verpflichtung zur Übereignung nicht existenter Container frei, denn der Anleger kann nicht mehr Übereignung der vertragsgegenständlichen Container verlangen.
Die Zahlung des Rückkaufspreises durch P&R ist mithin keineswegs ohne Gegenleistung.
b)
Ausweislich der veröffentlichten und als Anlage vorgelegten Pressemitteilungen kommt das Landgericht Karlsruhe mit anderer Begründung zu demselben Ergebnis:
Nach Rechtsauffassung des Landgerichts Karlsruhe handelt es sich bei den als „Kauf- und Verwaltungsvertrag“ bezeichneten Investitionsverträgen um Kapitalüberlassungsverträge. Die Investitionsverträge sind ihrer Rechtsnatur nach nicht als Kaufvertrag zu qualifizieren, sondern als Kapitalüberlassungsverträge.
Die erfolgten Zahlungen entsprechen den wechselseitig übernommenen Verpflichtungen.
Johannes Meinhardt, M.B.A.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht