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07.06.2022 | Kapitalmarktrecht:
P&R-Gruppe: Weitere Entscheidung eines Oberlandesgerichts zur Frage der Anfechtbarkeit von Auszahlungen an Anleger: OLG Stuttgart, Az.: 3 U 341/20″
Bekanntlich versucht der bestellte Insolvenzverwalter, Herr Dr. Jaffé, von denjenigen Anlegern, die einst ein Investment bei P&R getätigt hatten, erhaltene Auszahlungen zurückzufordern. Geltend gemacht werden – basierend auf einem behaupteten insolvenzrechtlichen Anfechtungsanspruch gemäß § 134 InsO – von den betroffenen Anlegern sowohl die erhaltenen Mietzahlungen der vergangenen vier Jahre vor Insolvenzeröffnung, als auch der Containerrückkaufswert.
Die diesem Sachverhalt zugrundeliegenden sehr komplexen und schwierigen Rechtsfragen versucht Herr Dr. Jaffé in einigen wenigen sogenannten „Pilotverfahren“ zu klären. Nachdem zuvor bereits das OLG München, das OLG Hamm und das OLG Karlsruhe in einer dieser Pilotklagen eine Entscheidung gefällt hatten, hat nun ein weiteres zweitinstanzliches Gericht Stellung zu den vom Insolvenzverwalter erhobenen Insolvenzanfechtungsansprüchen bezogen. So urteilte das OLG Stuttgart in einer erst kürzlich veröffentlichten Entscheidung (Urt. v. 22.12.2021 zu Az.: 3 U 341/20), dass Insolvenzanfechtungsansprüche des Insolvenzverwalters weder im Hinblick auf die Mietzinsen, noch auf die Rückkaufspreise gegeben sind. Das erstinstanzlich erkennende LG Stuttgart, hatte der vom Insolvenzverwalter erhobenen Klage bezüglich der Rückkaufswerte stattgegeben. Das OLG Stuttgart hat nunmehr auf die Berufung des Insolvenzverwalters hin die Klage komplett abgewiesen.
Zur Entscheidung:
1. Zu den Mietzinsen
Mit sehr fundierter Begründung setzte sich das OLG Stuttgart zunächst mit der Anfechtbarkeit der Tagesmietzinsen auseinander. Es könne dahinstehen – so das erkennende Gericht – ob und in welchen Umfang die an den Anleger veräußerten Container tatsächlich existent waren. Zwar konnte der beklagte Anleger im zu entscheidenden Fall kein Eigentum an den Containern erwerben, denn es handelte sich um einen sogenannten Gattungskauf gemäß § 243 BGB. Um tatsächlich Eigentum an den betreffenden Containern erlangen zu können hätte es einer sog. dinglichen Einigung bedurft. Damit die dingliche Einigung aber überhaupt wirksam werden kann, muss sie sich zwingend auf bestimmte Sachen beziehen (sog. allgemeiner sachenrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatz). Im vorliegenden Fall hätte dies erfordert, dass die Container so konkret bezeichnet hätten werden müssen, dass jeder, der den Vertrag kennt, sie zu dem Zeitpunkt, in dem das Eigentum übergehen soll, unschwer von anderen Sachen unterscheiden kann. Dies sei im zu entscheidenden Fall nicht passiert.
Dies sei allerdings – so der erkennende Senat – unerheblich zumal es sich unabhängig davon bei den ausbezahlten Mietzinsen trotzdem um keine unentgeltliche Leistung handele, die anfechtbar wäre. Die Unentgeltlichkeit der Erfüllungshandlung sei nämlich nach dem Grundgeschäft zu beurteilen und die Auslegung der Kauf- und Verwaltungsverträge habe ergeben, dass zwischen dem jeweiligen Kauf- und Verwaltungsvertrag eine besonders enge Verbindung bestand. Aus Sicht des Investors jedenfalls und aus wirtschaftlicher Perspektive habe ein einheitliches Kapitalanlagemodell vorgelegen, bei dem der garantierte Tagesmietzins die festbestimmte Rendite seiner Investition, nämlich die Zahlung des Kaufpreises, darstellte.
Wie schon zuvor auch das OLG München und das OLG Hamm stellte der Senat klar, dass die Ausschüttung der vereinbarten Kapitalverzinsung immer dann entgeltlich (und damit wie hier unanfechtbar) ist, wenn einem Investor eine feste Kapitalverzinsung für das von ihm überlassene Kapital versprochen wurde. In diesen Fällen stellt die Kapitalverzinsung eben die Gegenleistung für die erbrachte Kapitaleinlage dar. Der Anspruch auf die Garantieverzinsung in Form der garantierten Tagesmietzinszahlungen ist danach unbedingt und entspricht einer fest vereinbarten Verzinsung einer Kapitalanlage.
2. Zum Rückkaufspreis
Auch was die Anfechtbarkeit des Rückkaufpreises, also die von der Insolvenzschuldnerin erbrachten Kaufpreiszahlungen für die Container, anbelangt, so positionierte sich das OLG Stuttgart sehr klar dahingehend, dass auch dies nach seiner Ansicht keine unentgeltliche Leistung i.S.d. § 134 InsO ist. Auch hier misst das erkennende Gericht der Frage, ob der beklagte Anleger zum Zeitpunkt der Vereinbarung über den Rückkauf der Container tatsächlich Eigentümer von konkreten Containern war, keine Bedeutung bei. Der Senat stellt klar, dass dem beklagten Anleger in den Zeitpunkten der Vereinbarung über die Rückkaufspreise immerhin noch die aus den zuvor geschlossenen Kaufverträgen resultierenden Ansprüche nach § 433 Absatz 1 S. 1 BGB auf Individualisierung der Gattungsschuld und Eigentumsverschaffung zugestanden hätten. Dies führe dazu, dass die Insolvenzschuldnerin weiterhin bzw. trotzdem zur Zahlung der Rückkaufpreise verpflichtet war.
Schließlich wurden nach Auffassung des Senats durch die vereinbarten Zahlungen der Rückkaufspreise an die beklagten Anleger deren Kapitalanlage zurückgewährt, was einer Anfechtbarkeit gemäß § 134 Abs. 1 InsO weiter entgegenstehe. Diesbezüglich schließt sich also auch der Senat des OLG Stuttgart der Rechtsauffassung des zuvor urteilenden OLG Hamm an. Auch dieses hatte bereits im Juni 2021 geurteilt, dass regelmäßig dann nicht von einer Unentgeltlichkeit ausgegangen werden kann, wenn die Auszahlung auf die Einlage des Anlegers erbracht wird. Denn dann verliere der Anleger durch die Auszahlung seinen Anspruch auf Rückzahlung der noch vorhandenen Einlage, was dann seine jeweilige Gegenleistung darstelle.
Fazit:
Das OLG Stuttgart ist also der Meinung, dass weder Mieten, noch Rückkaufspreise unentgeltliche – und damit anfechtbare – Leistungen i.S.d. § 134 InsO darstellen. Der Senat hat eine Revision zum BGH nicht zugelassen, wogegen der Insolvenzverwalter eine entsprechende Nichtzulassungsbeschwerde eingereicht hat.
Mit der jüngst veröffentlichten Entscheidung des OLG Stuttgart erleidet der Insolvenzverwalter eine weitere „Schlappe“ vor Gericht, nachdem zuvor auch bereits das OLG München und das OLG Karlsruhe in ähnlicher Weise – und ungünstig für die Insolvenzverwalter der P&R-Gruppe – entschieden hatte.
Das neuerliche Urteil eines zweitinstanzlichen Gerichtes ist aus unserer Sicht ein (weiterer) Wegweiser, wohin die Reise beim BGH möglicherweise gehen kann, wenn er sich mit der Problematik auseinandersetzt.
Sollte der BGH keine der drei vom Insolvenzverwalter erhobenen Nichtzulassungsbeschwerden annehmen, so ist das neuerliche Urteil des OLG Stuttgart zumindest für diejenigen Anleger, die ihren Gerichtsstand im Bezirk des Oberlandesgerichts Stuttgart haben, ein Erfolg.
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Christina Elpers
Rechtsanwältin und Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht