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29.09.2022 | Bankrecht:
Telefonische Weitergabe einer TAN –
Wann besteht grobe Fahrlässigkeit seitens des Zahlers?
Kriminelle versuchen heutzutage mit sämtlichen Mitteln an die Verfügungshoheit der Bankkonten ihrer Opfer zu gelangen. Haben sie einmal die Verfügungshoheit erlangt und ist dadurch ein Schaden entstanden, so stellt sich die Frage, wer für den entstandenen Schaden aufzukommen hat.
Am 02.09.2022 hat das LG Saarbrücken in seinem rechtskräftigen Urteil entschieden, dass im Rahmen des Online-Bankings eine telefonische Weitergabe der TAN ausreichen kann, um den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit gegenüber dem Zahlungsdienstnutzer zu begründen. Dies hat zur Folge, dass trotz fehlender Autorisierung eines Zahlungsvorgangs der Zahlungsdienstleister nicht zwangsläufig den aufgrund der Naivität eines Bankkunden entstandenen Schaden zu erstatten hat.
Vielmehr besteht bei grob fahrlässigem Verhalten seitens des Zahlungsdienstnutzers ein Schadensersatzanspruch des Zahlungsdienstleisters aus § 675 v Abs. 3 Nr. 2 BGB in Höhe des gesamten Schadens, der infolge eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs entstanden ist.
Das Landgericht Saarbrücken war der Meinung, dass der Zahlungsdienstleister, wenn der Bankkunde einen Anspruch auf Gutschrift gem. § 675 u BGB geltend macht, mit dem bestehenden Schadenersatzanspruch aufrechnen kann, sodass letztendlich der Zahlungsdienstnutzer für den Schaden aufkommen muss.
Damit der Zahlungsdienstleister einen Schadensersatzanspruch aus § 675 v Abs. 3 Nr. 2 BGB hat, muss der Zahlungsdienstnutzer bei der telefonischen Weitergabe der TAN grob fahrlässig gehandelt haben.
Entscheidend bei der Beurteilung, ob der Zahlungsdienstnutzer grob fahrlässig gehandelt hat, ist die Gesamtbetrachtung des Einzelfalls. Es kommt folglich darauf an, ob die erforderliche Sorgfalt im Verkehr vom Zahlungsdienstnutzer beachtet wurde.
Drängt sich bei Betrachtung der individuellen Gesamtumstände auf, dass die Aufforderung zur Weitergabe der TAN nicht von dem Zahlungsdienstleister stammt, so handelte der Zahlungsdienstnutzer laut LG Saarbrücken bei der Weitergabe der TAN objektiv und subjektiv grob sorgfaltswidrig.
Bei der telefonischen Weitergabe der TAN liegt dies nahe, da diese aufgrund des Abweichens vom üblichen Übermittlungsweg nicht vergleichbar ist mit der Eingabe einer oder mehrerer TAN in eine gefälschte Eingabemaske.
Das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 10.06.2022, Az.: 1 O 394/21 zeigt zum einen, dass Bankkunden nicht leichtfertig ihre Zugangsdaten preisgeben sollten, sondern bei Abweichungen vom üblichen Prozedere vorsichtig agieren und gegebenenfalls unmittelbar bei ihrer Bank nachfragen sollten. Vor allem aber zeigt das Urteil des LG Saarbrücken, dass die Bank auch bei den zwischenzeitlich mehrfach verbraucherfreundlich reformierten Vorschriften des Zahlungsverkehrsrechts nicht ungeschützt dasteht, sondern einen Schadensersatzanspruch gegen ihren Kunden hat, wenn dieser seine Zugangsdaten bei verdächtigen Gesamtumständen weitergibt. Solches Verhalten ist objektiv und subjektiv grob sorgfaltswidrig. Die Entscheidung des LG Saarbrücken reiht sich insoweit ein in vergleichbare Fälle, in denen grobe Fahrlässigkeit angenommen wurde:
* Weitergabe sämtlicher TANs – OLG München, Urteil vom 23.01.2012 (17 U 3527/11)
* Eingabe von Kontozugangsdaten ohne Überprüfung des Absenders einer E-Mail – OLG Hamm, Beschluss vom 16.03.2015 (I-31 U 31/15)
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Johannes Meinhardt, M.B.A.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht