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23.04.2025 | Erbrecht:
Notarielle Nachlassverzeichnisse könnten künftig noch teurer werden
Verbindlichkeiten des Erblassers werden bei der Ermittlung der Notarkosten nicht nur nicht abgezogen, sie dürfen nach Auffassung des LG Wiesbaden womöglich gar hinzugerechnet werden
Häufig werden notarielle Nachlassverzeichnisse verlangt, wenn die Sorge besteht, dass der Erbe ein unvollständiges Nachlassverzeichnis erstellt haben könnte, damit der ohnehin nur Pflichtteilberechtigte möglichst wenig des Hinterlassenen erhält. Pflichtteilsberechtigte haben, anders als Miterben, keinen Einblick in den Nachlass selbst – sie können daher nach § 2314 BGB verlangen, dass ein Notar die Nachlassgegenstände und Verbindlichkeiten erfasst und katalogisiert. Damit gehen selbstredend erhöhte Kosten verglichen zu einem privatschriftlichen Nachlassverzeichnis einher, die zwingend vom Nachlass abgezogen werden. Doch über die Höhe der Notarkosten lässt sich trefflich streiten.
Eintracht herrscht insoweit, als dass nach § 38 GNotKG Verbindlichkeiten nicht vom Wert des Nachlasses abgezogen werden. Der Notar darf seine Gebühren demnach nicht nur aus dem wirtschaftlichen Wertes des Erbes (Aktiva abzüglich Passiva) bestimmen, sondern zumindest aus dem positiven Wert aller Nachlassgegenstände.
Auf den ersten Blick irritierend wirkt insofern eine Entscheidung des LG Wiesbaden vom 05.02.2024 (Az. 4 OH 178/23). Demnach darf ein Notariat bei Aufstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses zum positiven Wert aller katalogisierten Erbschaftsgegenstände auch noch den Wert der Verbindlichkeiten hinzuaddieren. Auch ein Erbe, dass faktisch null Euro wert ist, kann demnach durch die Katalogisierung der sich wirtschaftlich negierenden Einzelpositionen hohe Notarkosten nach sich ziehen.
Es gibt durchaus Obergerichte, die sich gegen eine Berücksichtigung der katalogisierten Verbindlichkeiten beim Geschäftswert aussprechen (OLG Naumburg, Beschl. v. 03.02.2022 – 5 Wx 11/21; OLG Hamm, Beschl. v. 01.08.2023 – I-15 W 310/20). Sie argumentieren, dass es zu weit gehe, Verbindlichkeiten beim Gebührenwert nicht nur nicht abzuziehen, sondern gar hinzuzurechnen. Eine Addition von Negativvermögen sei dem Gesetz fremd; die Existenz des Schuldabzugsverbots in § 38 GNotKG stelle klar, dass man Schulden regelmäßig allenfalls abziehe, nicht aber hinzurechne. Auch sei eine Verbindlichkeit kein wertbildender „Gegenstand“ iSd. § 115 GNotKG..
Doch die Gegenargumentation des LG Wiesbaden überzeugt. Die Tätigkeit des Notariats besteht darin, alle Nachlasswertpositionen unabhängig ihres positiven Wertes aufzuführen. Bei Verbindlichkeiten handelt es sich dementsprechend um verzeichnete – negative – Vermögensgegenstände, wie etwa die Existenz reiner Schuldenverzeichnisse untermauert. Auch bei diesen muss das Notariat etwas abrechnen dürfen. Dass eine Belastung etwa in Form einer Grundschuld, die auf einem Objekt lastet, zugleich von dessen Wert nicht abgezogen werde, entspricht der klaren gesetzgeberischen Wertung. Denn eine solch zufällige Belastung muss nicht zwingend zulasten des Eigentümers/Erblassers gegen, etwa wenn ein Dritter der persönliche Schuldner der besicherten Forderung ist. Besteht jedoch zugleich eine persönliche Schuld des Erblassers, so handelt es sich hierbei um eine weitere Vermögensposition, die der Notar – werterhöhend – zu verzeichnen hat.
Die Auffassung des LG Wiesbaden entspricht in ihrem tätigkeits- statt wertbezogenen Ansatz anerkannten Grundsätzen des Gebührenrechts. So erhöhen sich etwa auch Gerichts- und Rechtsanwaltskosten bei einer (hilfsweisen) Aufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung, sobald auch über diese gestritten und somit entschieden werden muss (§ 45 III GKG). Dabei bleibt unbeachtet, dass die Klageforderung durch eine erfolgreiche Aufrechnung womöglich vollständig in ihrem wirtschaftlichen Wert erlischt.
Spannend bleibt der Gegensatz zur Wertbestimmung im Erbscheinsverfahren: Hier werden vom Erblasser herrührende Verbindlichkeiten nicht nur nicht addiert, sondern gar abgezogen (§ 40 I GNotKG).
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Dr. Norbert Gieseler
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Steuerrecht