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27.07.2023 | Erbrecht
Wie erreicht man ein gültiges Dreizeugentestament?
Das OLG Hamm hatte am 19.07.203 (Az. 10 W 75/22) über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Im April 2019 verstarb der Erblasser und hinterließ unter anderem einen landwirtschaftlichen Hof. Seine Ehefrau war bereits vorverstorben. Kinder hatte er nicht. Auf dem Hof betrieb eine Pächterin mit dessen Ehepartner eine Pferdepension. Diese Pächterin beantragte auf Grundlage eines Dreizeugentestamentes die Stellung als Alleinerbe für sich. Dem traten zwei entfernte Verwandte des Erblassers, also die gesetzlichen Erben, entgegen. Ausgangspunkt der rechtlichen Überlegung war: Kann aufgrund naher Todesgefahr ein Testament nicht mehr vor dem Notar oder als Nottestament vor einem Bürgermeister errichtet werden, kann der Erblasser sein Testament mündlich vor drei Zeugen erklären (sogenanntes Dreizeugentestament). Hierüber muss eine Niederschrift gefertigt werden, die dem Erblasser vorzulesen ist und die dieser genehmigen und grundsätzlich selbst unterschreiben muss. Im Falle einer Schreibunfähigkeit reicht die Unterschrift der Zeugen. Im vorliegenden Fall hatte die Pächterin zunächst über einen Notar ein von dem Ehemann und drei Zeugen unterschriebenes computergeschriebenes Protokoll bei Gericht eingereicht, aus dem sich ein vom Erblasser kurz vor seinem Tod mündlich geäußerter letzter Wille ergab. Erst nachdem das Gericht die Pächterin darauf hingewiesen hatte, dass das erst nach dem Tod erstellte Protokoll kein wirksames Dreizeugentestament sein kann, reichte diese eine inhaltlich gleichlautende handschriftliche Version ein. Diese war ebenfalls vom Ehemann der Antragstellerin erstellt und trug ebenfalls die Unterschriften der drei Zeugen. Die Pächterin erklärte hierzu, dass sie in der Todesnacht die Zeugen hinzugezogen habe, weil der Erblasser nicht mehr ins Krankenhaus wollte und sie sich angesichts des bevorstehenden Todes insoweit absichern wollte. In Gegenwart der Zeugen habe der Erblasser dann mündlich sein Testament erklärt. Die von ihrem Ehemann gefertigte Niederschrift sei dem Erblasser vorgelesen und von ihm genehmigt worden. Der Erblasser selbst habe nicht mehr unterschreiben können. Das Dokument sei dann noch zu seinen Lebzeiten von den Zeugen unterschrieben worden. Nachdem das Oberlandesgericht die Pächterin, den Ehemann, den Notar und die Zeugen vernommen hat, konnte sich das Gericht nicht davon überzeugen, dass das Testament so wie behauptet und damit wirksam errichtet wurde. Insbesondere verblieben aufgrund der Verfahrensgeschichte und der Angaben der Zeugen große Zweifel an der Gültigkeit der Testamentserrichtung. Der Senat geht davon aus, dass von einem juristischen Laien wie dem Pächter zu erwarten gewesen wäre, dass er das handschriftliche Protokoll, hätte es damals schon existiert, direkt bei dem Notar und dem Gericht vorgelegt hätte. Ein Grund dafür, warum nur das – wegen der zu späten Anfertigung – ungültige Protokoll vom Folgetag vorgelegt wurde und nicht mindestens auch das handschriftliche Dokument aus der Todesnacht, ist nicht ersichtlich und auch nicht plausibel erklärt worden. Auch die Vernehmung der Zeugen konnte diese Zweifel nicht zerstreuen, zumal die Zeugen unterschiedliche Angaben zu den Einzelheiten des Ablaufs in der Todesnacht machten, sich teilweise in Widersprüchen zu ihren in erster Instanz gemachten Angaben setzten und einer der Testamentszeugen in der ersten Instanz gar erklärt hatte, in der Todesnacht sei nichts unterschrieben worden. Auch ist insgesamt nicht verständlich geworden, warum der Erblasser nicht selbst unterschrieben hat. Aus diesem Grunde wurde der Antrag abgelehnt. Aus der Entscheidung ist ersichtlich, dass an die Wirksamkeit eines Dreizeugentestamentes extrem hohe Anforderungen gestellt werden.
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Dr. Norbert Gieseler
Rechtsanwalt
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