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16.05.2022 | Bankrecht:
Musterfeststellungsklage über gekündigte Prämiensparverträge
„Gericht lässt Verbraucherschützer abblitzen“ titelte am Montag eine Tageszeitung im Hinblick auf die erste Verhandlung der Musterfeststellungsklage, die die Verbraucherzentrale Bundesverband gegen die Sparkasse Nürnberg angestrengt hatte.
Bereits in der ersten mündlichen Verhandlung machte der 1. Zivilsenat beim Obersten Bayerischen Landesgericht unter Vorsitz der Präsidentin Dr. Andrea Schmidt deutlich, dass der Senat die Klage der Verbraucherzentrale weitestgehend abweisen wird. Für 15 von insgesamt 19 Anträgen äußerte sich der Senat deutlich zu Gunsten der Sparkasse.
Das Gericht ließ keinen Zweifel daran, dass die Prämiensparverträge der Sparkasse Nürnberg nach 15 Jahren von der Sparkasse gekündigt werden dürfen, sobald die höchste Prämienstufe erreicht ist – und dies auch dann, wenn weitere Sparjahre mit einer gleichbleibend hohen Prämienzusage im Vertragsformular aufgeführt sind. Mit der kontinuierlich steigenden Prämienstaffel wird ein besonderer Sparanreiz gegeben, mit Erreichen der höchsten Prämienstufe lebt das Kündigungsrecht der Sparkasse auf. Die Senatsvorsitzende und Gerichtspräsidentin Dr. Schmidt machte deutlich, dass die Auslegung der Prämiensparverträge ein klares Ergebnis liefere und zeigte wenig Verständnis für die gegenteilige Auffassung des Oberlandesgerichts Nürnberg.
Auch bezüglich der Frage einer etwaigen Zinsnachzahlung wies der Senat in vielen Punkten die Wünsche der Verbraucherschützer zurück.
Die auch von der Verbraucherzentrale Bayern als Berechnungsgrundlage eingesetzte Referenzzinszeitreihe des Sachverständigenbüro Hink & Fischer entspreche eindeutig den Vorgaben des Bundesgerichtshofs nicht. Es handele sich weder um eine von neutraler Stelle ermittelte Referenzzinszeitreihe, noch um einen von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Referenzzinssatz.
Ob der von der Sparkasse Nürnberg zugrunde gelegte Referenzzins den Vorgaben des Senats entspricht, wird in der zweiten Jahreshälfte ein noch vom Senat einzusetzender Sachverständiger prüfen.
Der Senat ließ bereits erkennen, dass er – anders als von der Verbraucherzentrale Bayern gewünscht – nicht eine Referenzzinszeitreihe mit sogenannten geltenden Durchschnittszinssätzen für angemessen erachtet, sondern die von der Deutschen Bundesbank ermittelten Monatswerte maßgeblich sein werden – wie dies von uns auch in allen Individualprozessen vertreten wird.
Anders als dies der BGH in seinen letzten Gerichtsentscheidungen gesehen hat, hält der 1. Zivilsenat beim Bayerischen Obersten Landesgericht den „absoluten Abstand“ zwischen Vertragszins und Referenzzins für einzig richtig und maßgeblich. Die Senatsvorsitzende und Gerichtspräsidentin erläuterte, dass der Senat die Begründung des BGH für zu kurz gegriffen halte und nicht überzeuge. Bereits in der mündlichen Verhandlung referierte die Senatsvorsitzende und Gerichtspräsidentin anhand von fünf Argumenten, warum einzig der absolute Abstand, der von Anfang an von der Sparkasse angewandt wurde, richtig sei. Die Wahl des absoluten Abstandes zwischen Referenzzins und Vertragszins sei interessengerecht und benachteilige weder die Sparkasse, noch die Verbraucher. Denn in Zeiten (zukünftig) steigender Zinsen sei der relative Abstand für den Kunden nachteilig, während der absolute Abstand einen beiderseits fairen Zinsverlauf bewirke.
Der Senat billigt den Verbrauchern zu, dass die Zinsanpassung monatlich vorzunehmen sei und nicht vierteljährlich. Dies war eines der Ziele der Verbraucherzentrale Bundesverband. Insoweit wird der Senat der Verbraucherzentrale Recht geben. Wirtschaftlich wirkt sich dies – und diese Bemerkung sei dem Unterfertigten am Rande gestattet – zu Gunsten der Sparkasse aus, da in der aktuellen Niedrigzinsphase, in der die Zinsen seit 12 Jahren stetig fallen, Zinsanpassungen in kürzeren Intervallen zu geringeren Zinsansprüchen der Verbraucher führen.
Ob der Senat dem Sachverständigen vorgeben wird, dass die Referenzzinszeitreihe sich an einem langfristigen Kapitalmarktzins orientieren solle oder die von uns konkret vorgetragenen hohen Zahlen von Kündigungen durch Verbraucher in den ersten fünf Vertragsjahren berücksichtigt werden, bleibt abzuwarten. Der Prämiensparvertrag „S-Prämiensparen flexibel“ war nicht nur seinem Wortlaut nach, sondern auch seiner Konzeption nach ein Angebot, flexibel Geld zu sparen. Dieses Konzept ist nach den Vorgaben des BGH bei der Wahl des richtigen Referenzzinssatzes zu berücksichtigen.
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Johannes Meinhardt, M.B.A.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht