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04.06.2020 | Erbrecht:
DAS ZERRISSENE TESTAMENT
Das Oberlandesgericht Köln hatte mit einer Entscheidung vom 26.05.2020 (Aktenzeichen 2 Wx 84/20) über die Frage zu entscheiden, ob es genügt, wenn man von zwei gleichlautenden Originaltestamenten eins zerrissen wurde, um das Testament insgesamt als widerruft zu betrachten.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Erblasserin wohnte in Bonn. Sie hatte ein Testament zugunsten ihres Urenkels gemacht. Zu einem späteren Zeitpunkt verfasste sie ein weiteres handschriftliches Testament. In dem Testament wurde anstelle des Urenkels die Haushälterin der Erblasserin als Alleinerbin bestimmt. Außerdem erteilte sie der Haushälterin eine Vorsorge– und Bankvollmacht sowie eine Betreuungs- und Pflegeverpflichtung und verkaufte dieser gegen Bargeld ihr Hausgrundstück.
Nachdem die Haushälterin mit Hilfe der Bankvollmacht 50.000 Euro vom Konto der Erblasserin abgehoben hatte, widerrief diese die Vollmacht. Sie suchte einen Rechtsanwalt auf, um sich beraten zu lassen, inwieweit der Kaufvertrag des Hauses rückabgewickelt werden könne. Bevor Maßnahmen eingeleitet wurden, verstarb sie.
Das Nachlassgericht hatte nunmehr zu entscheiden, ob dem Urenkel ein Erbschein erteilt werden soll. Dem Gericht lag ein Original des Testamentes zugunsten der Haushälterin vor sowie das Original des älteren Testamentes zugunsten des Urenkels. Der Enkel behauptete, dass die Erblasserin ein wortgleiches Originaltestament zugunsten der Haushälterin in Anwesenheit des Rechtsanwaltes durch Zerreißen widerrufen habe. Der Rechtsanwalt wurde als Zeuge vernommen und bestätigte diesen Sachvortrag. Das Landgericht erteilte daraufhin dem Urenkel einen Erbschein. Hiergegen richtete sich die Beschwerde der Haushälterin. Das Oberlandesgericht wies die Beschwerde zurück und zwar mit folgender Begründung:
Der Erblasser kann ein Testament jederzeit ohne Angabe von Gründen widerrufen (§2253 BGB). Dies könne zum Beispiel durch Vernichtung der Testamentsurkunde erfolgen (§2255 Satz 1 BGB). Sofern jedoch mehrere Urschriften vorhanden sind, könne die Vernichtung lediglich einer Urkunde genügen, wenn kein Zweifel über den Aufhebungswillen des Erblassers besteht. Dies ist der Fall. Der Anwalt der Erblasserin, der kein erkennbares persönliches Interesse am Ausgang des Streites gehabt hat, habe glaubhaft ausgesagt, dass die Erblasserin ein Original des Testamentes in seiner Anwesenheit zerstört habe. Dabei habe sie zweifelsfrei bekundet, dass sie nicht an der Erbeinsetzung der Haushälterin festhalte wolle. Dazu passe, dass die Erblasserin keinen Kontakt mehr zu der Haushälterin gehabt habe und unstreitig versucht habe, die Übertragung des Grundstückes an sie rückgängig zu machen. Angesichts ihres Alters von über 90 Jahren könne angenommen werden, dass sie das zweite Original schlicht vergessen gehabt habe. Trotz der Existenz dieses weiteren Originals ist daher von einem Widerruf des zugunsten der Haushälterin gefertigten Testamentes auszugehen.
Die Entscheidung zeigt allerdings, dass der Widerruf eines im Original vorhandenen Testaments, schwierig zu führen ist. In diesem Falle ist es gelungen.
Dr. Norbert Gieseler
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Steuerrecht
Fachanwalt für Erbrecht