Kicker-Talent erhält Profivertrag
24. Januar 2023Ein Testamentserbe trägt das Risiko, dass das Testament unwirksam ist
31. Januar 2023
26.01.2023 | Bank- und Kapitalmarktrecht:
Für immer und immer … Zinsanpassung!
Der Bundesgerichtshof hat am 24.01.2023 erneut über eine Musterfeststellungsklage zu Prämiensparverträgen einer Sparkasse verhandelt, die vorinstanzlich vom OLG Dresden entschieden worden war.
Der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs ist zu entnehmen, dass dieser darauf verweist, dass alles so zu sehen sei, wie er es schon immer sehe. Dies betrifft insbesondere die Frage, ob bei einer Zinsanpassung, die nicht vertraglich vereinbart wurde, der sogenannte relative Zinsabstand oder der absolute Zinsabstand maßgeblich sei.
Der Bundesgerichtshof hat sich zu Beginn der Niedrigzinsphase im Jahre 2010 für den relativen Zinsabstand ausgesprochen. Begründet wurde dies damals in der BGH-Entscheidung damit, dass bei einem relativem Zinsabstand der Zins für die Spareinlage nicht negativ werden könne. Der Bundesgerichtshof wollte im Jahre 2010 einen negativen Sparzins (also ein Verwahrentgelt) für Prämiensparverträge vermeiden.
Zwischenzeitlich hat sich gezeigt, dass die Rechnungen des Bundesgerichtshofs nicht zutreffend sind, denn auch diverse Referenzzinszeitreihen waren zwischenzeitlich negativ. Der relative Abstand hätte mithin auch zu Negativzinsen führen können.
Auch ist unstreitig, dass bei Sparverträgen ein negativer Zins schon aufgrund der Formulierungen und Vereinbarungen ausgeschlossen ist, denn stets wird eine „Zinszahlung“ zugesagt und vereinbart. Ein „Zinsabzug“ verbietet sich schon auf vertraglicher Grundlage. Der Berechnung des Bundesgerichtshofs hätte es nicht bedurft.
Seit den ersten Kündigungen von Prämiensparverträgen im Mai / Juni 2019 wurden eine Vielzahl von Sachverständigengutachten durch die Gerichte in Auftrag gegeben. Bei beinahe jedem Sachverständigengutachten wird von Seiten der Sachverständigen ausgeführt, dass die vom Bundesgerichtshof vorgegebene Methode des „relativen Zinsabstandes“ weder den Willen des Kunden, noch den Willen der Sparkasse widerspiegelt, sondern mit einem absoluten Zinsabstand kalkuliert wurde und gerechnet werden müsse.
Bei den Gutachten von Prof. Dr. Elias führt dies sogar dazu, dass er den Referenzzins nach der von ihm für richtig gehaltenen Methode des absoluten Zinsabstandes ermittelt, um anschließend den Sparzins nach der vom BGH vorgegebenen Methode des relativen Abstandes zu berechnen. Auf die Frage, ob dies nicht widersinnig sei, in einem Gutachten zwei verschiedene Methoden anzuwenden, kommt dann die Antwort, dass dies falsch, aber bedauerlich sei. Er sei aber nur bereit, sich an die vom BGH vorgegebene falsche Methode zu halten, soweit dies zwingend erforderlich sei.
Der BGH verlangt zutreffend, dass die Preisanpassungsmethode bei steigenden Preisen dieselbe sein müsse wie bei sinkenden Preisen. Der BGH hat auch bereits vorgegeben, dass bei steigenden Preisen die Marge nicht ausgeweitet werden dürfe. Genau dies erfolgt aber beim sogenannten relativen Zinsabstand, wenn – wie dies seit geraumer Zeit der Fall ist – die Zinsen wieder steigen.
Für Altverträge jedenfalls hat der BGH in seiner Entscheidung vom 24.01.2023 vorerst an seiner Rechtsprechung festgehalten.
Es bedarf vielleicht erst einer Revisionsverhandlung über einen Vertrag, der nach 2010 zu einem Anfangszinssatz von 0,01 % abgeschlossen wurde, um dem BGH vor Augen zu führen, dass die von ihm stets bejahte Methode des relativen Zinsabstandes gegen das von ihm aufgestellte und mehrfach bejahte „Verbot der Margenausweitung“ bei steigenden Preisen verstößt.
Erstaunlich ist der zweite Hinweis in der Pressemitteilung, dass ein Gericht „zur Verfahrensbeschleunigung“ gemäß § 411a ZPO ein bereits erstelltes Sachverständigengutachten aus einem anderen Verfahren verwenden könne und nicht stets ein erneutes Sachverständigengutachten eingeholt werden müsse. Dieser Hinweis dürfte insbesondere Musterfeststellungsklageverfahren betreffen, da dort lediglich der Referenzzins sachverständig ermittelt wird. In den Individualverfahren bei den Amtsgerichten und Landgerichten bedarf es der Sachverständigen auch zur konkreten Zinsberechnung, denn es gilt immer: iudex non calculat.
Spannend wird die Verwendung von Gutachten aus anderen Verfahren dann, wenn bei demselben Gericht verschiedene Gutachter beauftragt werden. Dies ist dann der Fall, wenn verschiedene Kammern Sachverständigengutachten für Verträge derselben Bank in Auftrag geben oder der anfangs beauftrage Sachverständige wegen Arbeitsüberlastung darum bittet, dass vorerst ein anderer Sachverständiger beauftragt werden. Spätestens in der Berufungsinstanz dürften dann für dieselbe Bank verschiedene Gutachten vorliegen.
Der BGH hat bereits 2010 entschieden, dass das Gericht nicht das Ergebnis des Gutachtens übernehmen dürfe, sondern der Gutachter das Gericht nur dabei unterstützte, selbst den richtigen Referenzzins und die richtige Berechnung zu wählen. Der Hinweis auf § 411a ZPO dürfte dann aber häufig nicht zur Beschleunigung führen, sondern die Angelegenheit komplizierter machen, denn dann prüft das Gericht nicht nur das Ergebnis eines Sachverständigengutachtens, sondern muss sich tatsächlich für eine Methode von mehreren sachverständig vorgeschlagenen Methoden entscheiden.
Es bleibt spannend … vielleicht nicht für immer und immer … aber sicherlich noch viele Jahre!
Johannes Meinhardt, M.B.A.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht