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SETZT DER EUGH DEM WIDERRUFSJOKER EIN ENDE? SCHLUSSANTRÄGE IM WIDERRUFSFALL „ROMANO“ GESTELLT.
Der in dem Verfahren C-143/18 zuständige Generalanwalt Giovanni Pitruzzella hat am 28.03.2019 um 09:30 Uhr bei der 1. Kammer des Europäischen Gerichtshofs seine entsprechenden Schlussanträge vorgelegt. Sollte der EuGH diesen Anträgen folgen, dürfte die gänzlich übertrieben verbraucherfreundliche nationale Rechtsprechung endlich ein Ende nehmen.
Interessant an den Schlussanträgen ist insoweit, dass der zuständige Generalanwalt ausführte, dass nationale Widerrufsrechte nicht weiter reichen dürfen, als europarechtliche Vorgaben es erfordern. Im konkreten Fall ging es insbesondere darum, dass in der Widerrufsbelehrung ein sogenannter Erlöschenshinweis des Widerrufsrechtes beinhaltet war, wie er vom nationalen Gesetzgeber für eine spezielle Vertragsabschlusssituation auch gefordert war, dies allerdings vom BGH als verwirrend und verunklarend angesehen wurde.
Aufgrund unionsrechtlicher Bedenken hatte daher das Landgericht Bonn dem EuGH eine Anfrage dahingehend gestellt, inwieweit die einschlägige europarechtliche Richtlinie einer nationalen Rechtsvorschrift oder Gepflogenheit entgegensteht, nach der bei Fernabsatz-Darlehensverträgen nicht der Ausschluss des Widerrufsrechts vorgesehen ist, wenn auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers der Vertrag von beiden Seiten bereits erfüllt ist, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübt. Weiterhin, inwieweit bei Erhalt der Widerrufsbelehrung und der Ausübung des Widerrufsrechts ausschließlich auf einen normal informierten, angemessen aufmerksamen verständigen Durchschnittsverbrauche unter Berücksichtigung aller einschlägigen Tatsachen und sämtlicher den Vertragsabschluss begleitender Umstände, abgestellt werden darf.
Erfreulich ist bei den vorgelegten Schlussanträgen des zuständigen Generalanwalts, dass dieser die Anfrage des LG Bonn dergestalt beantworten will, dass die nationale Vorgehensweise tatsächlich nicht mit Europäischem Recht vereinbar ist, da auf dem Gebiet des Widerrufsrechts nationale Vorschriften nicht von der Europäischen Verbraucherschutzrichtlinie abweichen dürfen.
Nach diesseitiger Auffassung steht daher die gesamte Rechtsprechung des BGH gemäß seiner Entscheidung vom 10.10.2017, Aktenzeichen: XI ZR 455/16, und den daraufhin nachfolgend ergangenen Entscheidungen zur Erlöschensklausel nunmehr, sollte der EuGH den Anträgen folgen, wieder in Frage.
Äußerst interessant und hilfreich dürften aber auch die weiteren Ausführungen des Generalanwalts sein, wonach dieser die zweite Vorlageanfrage derart beantwortet wissen will, dass auf einen durchaus verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist. Dies indes insbesondere unter Berücksichtigung aller einschlägigen Tatsachen und der Umstände bei Vertragsschluss.
Diese Ausführungen sind deshalb derart interessant, da der BGH sämtlichen Umständen außerhalb der Vertragsurkunde, insbesondere den Umständen bei Vertragsabschluss (Stichwort: Präsenzsituation), keinerlei Bedeutung beigemessen hat und die bis dahin diesbezüglich zwiegespaltene Rechtsprechung zunächst klärte. Der hier wesentlich überzeugenderen Rechtsprechung, so u.a. der Oberlandesgerichte Nürnberg, Düsseldorf und Frankfurt (insbesondere des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 01.08.2016, Aktenzeichen: 14 U 1780/15) im Rahmen derer bei sogenannten Präsenzgeschäften Kausalitätserwägungen bei Abschluss des Vertrages sehr wohl eine Rolle spielen, dürfte hiermit dann aber wieder erhebliche Beachtung geschenkt werden müssen.
Dies ist insbesondere für Kreditinstitute interessant, die möglicherweise in den Jahren 2004 bis 2009 im Präsenzgeschäft Darlehensverträge abgeschlossen haben, im Rahmen dessen sie keinen Musterschutz genossen, da sie eine eigentlich fehlerhafte „Frühestens“-Belehrung bei Übernahme des Gesetzeswortlauts inhaltlich abgeändert haben.
Im Ergebnis, würde der EuGH Herrn Pitruzella folgen, hieße dies wohl dann aber auch, dass die vom BGH in letzter Zeit vernünftigerweise immer restriktiver gehandhabte Rechtsprechung zum Verbraucherwiderrufsrecht weiter eingedämmt werden dürfte. Hintergrund ist, dass dem BGH im Rahmen seiner letzten Entscheidungen wohl aufgefallen ist, dass er mit seinem Verbraucherbegriff in den ersten Widerrufsentscheidungen viel zu weit gegangen ist, und nunmehr versucht, die Geister, die er rief, wieder los zu werden. Diesem Vorgehen dürfte nunmehr, sollte der EuGH den Schlussanträgen des Generalanwalts folgen, noch mehr Schub verliehen werden, da nunmehr endlich auf Seiten der nationalen Rechtsprechung eingesehen werden dürfte, dass Verbraucherschutz gut ist, dieser allerdings nicht dazu führen darf, dass der Unternehmer, vorliegend eben die Kreditinstitute, unangemessen benachteiligt wird und diesem daher aufgrund angeblich bestehender formaler Mängel in den erteilten Belehrungen durch den Verbraucher erhebliche Schäden zugefügt wird.
Die Schlussanträge sind daher äußerst zu begrüßen und es bleibt zu hoffen, dass der EuGH diesen folgt und damit auch die nationale Rechtsprechung zum „Widerrufsjoker“ weiter zu Gunsten der Kreditinstitute eingedämmt wird.
Alexander Göhrmann
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht